Abstand ist heilsam u. lässt sehen

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Ich habe mich hier in meinem BLOG schon einige Male aus der Sicht eines ambitionierten Laien zur Thematik Burnout, Depressionen, Traumatisierung, bei Polizeibeamten geäußert. Die Betonung liegt deutlich auf der Bezeichnung Laie.

In den Social Media lese ich immer mal wieder Tweets bzw. Postings von Verfassern, die ich dieser Berufsgruppe zuordne, in denen ich zwischen den Zeilen einen Verzweiflungsruf nach draußen höre. «Ich kann nicht mehr!» Berufsgruppe ist sehr unspezifisch formuliert. Innerhalb der Polizei gibt es unzählige unterschiedliche Aufgabenfelder, die sehr speziellen Anforderungen unterliegen. Alle Studien, die ich bisher dazu las, standen vor diesem Problem. Zumeist mussten sich Ärzte, Psychologen und Psychiater erst in die speziellen Bereiche einfinden, um die ursächlichen Vorgänge zu interpretieren.

Ein sehr wesentlicher Faktor, der die Entstehung von Depressionen und Ausbildung eines Krankheitsbildes mit der unscharfen Bezeichnung Burnout begünstigt, ist die Isolierung eines Menschen von anderen sozialen Umfeldern. Diese Isolierung findet nicht nur zeitlich durch belastende Dienstzeiten statt, sondern auch durch eine «Einigelung». Wir alle sind auf der Suche nach Antworten für die Geschichten, die um uns herum passieren. Polizisten, die in einen unmittelbaren Kontakt mit Tätern und Opfern kommen, stellen sich diese Fragen auch. Was ging in dem Täter vor? Warum? Warum ausgerechnet dieses Opfer? Ein Kind, eine junge Frau, ein alter Mensch, der niemals jemanden etwas getan hat!
Es sind oftmals philosophische Fragen. In was für einer Welt lebe ich, dass das gerade erlebte, passieren konnte? Offene Fragen sind für einen Menschen schwer aushaltbar. Gleichfalls die in einem entstehende Ohnmacht, dagegen nichts tun zu können. Der Polizist hat selten die Möglichkeit, sich mit anderen außerhalb seines beruflichen Umfelds mit diesen Geschehnissen auseinanderzusetzen.

• In der Gesellschaft besteht eine gewisse Tendenz zur Naivität, die eine Schutzfunktion hat. Gewalt, Missbrauch, Perversitäten werden anderen Untergruppen zugeschrieben und aus dem eigenen Umfeld verdrängt. Sexualstraftaten, brutal ausgeführte Körperverletzungen werden beispielsweise Fremden zu geschrieben. Dem Kriminalbeamten, der innerhalb dieser Deliktfelder ermittelt, ist dieses Verdrängen i.d.R. nicht vergönnt. Er muss sich der menschlichen Natur stellen. Nicht der Fremde, sondern der Mensch an sich, ist zu allen nur erdenklichen Taten fähig. Hierdurch verschiebt sich das Menschenbild.

• Zu vielen Dingen darf sich ein Polizist, bedingt durch rechtliche und innerdienstliche Anweisungen nicht äußern. Oftmals ist er gezwungen eine öffentlich geführte Diskussion schweigsam zu verfolgen, bei der er weiß, dass die tatsächlichen Ereignisse niemanden interessieren, sondern eine instrumentalisierte Debatte geführt wird. Wenn sich zum Beispiel ein Mensch zum Freitod entscheidet, können die Gründe in einer traumatischen familiären Situation (Missbrauch) liegen, während öffentlich politische oder berufliche Aspekte vermutet werden. Dies ist nur eine von vielen Möglichkeiten.

• Ein Ermittler darf sich nicht mit dem Vordergründigen abgeben, sondern muss alle Möglichkeiten betrachten. Geschieht das nicht, können die Ermittlungen in die vollkommen falsche Richtung gehen. Das menschliche Gehirn verknüpft einzelne Ereignisse zu Assoziationsketten, die dann eine Geschichte, im Falle von Ermittlungen einen Sachverhalt ergeben. Tatsächlich müssen die Ereignisse aber nichts miteinander zu tun haben. Schon manch ein Großeinsatz, der aus einer Erpressungslage oder Entführung entstand, nahm eine völlig überraschende Wende.
Sich darüber öffentlich auseinanderzusetzen macht im Regelfall keinen Sinn, da es wie gesagt, der menschlichen Natur entspricht, anders zu denken.

• Vieles hat eine gesellschaftliche Funktion. Polizisten mit einer Ermittlerausbildung können sich dabei als Spielverderber erweisen und mit ihrem eigenen Verdacht maximales Unverständnis auslösen. Ich erinnere mich dabei an eine zurückliegende Geschichte aus der eigenen Vergangenheit. Ein Kind wurde vermisst. Die Einsatzkräfte setzten alles daran, es gesund zu wiederzufinden. Öffentlich wirksam präsentierten sich die Eltern und der Ball wurde gern aufgenommen. Allgemein wetterten alle gegen «Kinderschänder», wieder einmal wurden neue Gesetze gefordert, man kennt das. Ich sagte damals zu meiner Frau: «Reine Spekulation, aber meine Erfahrungen sagen mir, dass der Vater das Kind getötet hat.». Genau das war dann auch das Ermittlungsergebnis. Die Leute wollen sich solche Dinge nicht vorstellen, das ist auch in Ordnung. Problematisch ist das bekanntlich auch bei Vergewaltigungen. Immer mal wieder werden sie aus unterschiedlichsten Gründen vorgetäuscht. Mal ist es die Scham, die Angst vor den Eltern oder auch pure Rachegelüste einer geschmähten Frau. In unserer heutigen Zeit, reagieren Frauen recht allergisch auf den Hinweis, dass es auch den Straftatbestand einer Vortäuschung gibt.

• In der Gesellschaft hat sich eine Menge Irrsinn angesammelt. Viele Prozesse der letzten Jahrzehnte, auf die ich hier nicht eingehen möchte, haben zu einem Realitätsverlust geführt, der in eine Assekuranz Gesellschaft mündete. Der Bürger ist nicht mehr bereit die Gefahren des Lebens und der allgemeinen globalen Entwicklung zu akzeptieren. Tritt ein Schaden ein, muss ein Verantwortlicher benannt werden. Interessanterweise färbt die Verantwortung des ursächlich handelnden Straftäters auf die Polizei ab. Die hat diesen Täter nämlich nicht ausreichend unter Kontrolle gehabt. Meiner persönlichen Lebenserfahrung nach, kann jeder Mensch zum Täter werden. Es ist alles eine Frage der Zeit, der Umstände und der gerade bestehenden emotionalen Ausgangsposition. Demnach müsste ich jeden unter Kontrolle stellen … dazu habe ich mich aber bereits geäußert.
Da dies realistisch nicht möglich ist, muss die Polizei eine Risikobewertung betreiben, um die vorhandenen Ressourcen effektiv einsetzen zu können. Im Polizeijargon gibt es den an sich sinnlosen Begriff hinnehmbares Restrisiko. Risiko bedeutet, ein Schaden kann trotz aller Umsicht nicht ausgeschlossen werden. Oft geht es auch nicht nur um Ressourcen, sondern verfassungsrechtliche Vorgaben. Es ist eben nicht alles erlaubt, um Straftaten zu verhindern. Auch das ist eine interessante philosophische Diskussion.

Der Utilitarismus (lat. utilitas, Nutzen, Vorteil) ist eine Form der zweckorientierten (teleologischen) Ethik, die in verschiedenen Varianten auftritt. Auf eine klassische Grundformel reduziert besagt er, dass eine Handlung genau dann moralisch richtig ist, wenn sie den aggregierten Gesamtnutzen, d. h. die Summe des Wohlergehens aller Betroffenen, maximiert. Neben der Ethik ist der Utilitarismus auch in der Sozialphilosophie und den Wirtschaftswissenschaften von Bedeutung.

Seite „Utilitarismus“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8. Dezember 2018, 08:36 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Utilitarismus&oldid=183504845 (Abgerufen: 15. Januar 2019, 05:01 UTC)

Genau darum geht es häufig bei der Polizeiarbeit. Es ist eine gute Idee, wenn sich ein Polizist einmal mit der Diskussion zu dieser Auffassung auseinandersetzt.

Die angeführten Umstände, die nur einen Teilausschnitt darstellen, wirken auf Polizisten im aktiven Dienst auf der Straße oder bei Ermittlungen ein. Bisweilen haben sie persönliche katastrophale Folgen, dies bekamen die Ermittler beim LKA 5 im Zusammenhang mit dem Anschlag von Anis AMRI zu spüren.

Sie befinden sich auch ständig in mehreren Spannungsfeldern. Da wäre auf der einen Seite, der Wunsch alles zu verhindern oder aufzuklären, und andererseits die gesetzlich vorgegebenen Grenzen. Dann die Lebenssituation, sich meistens zwischen multilateralen Fronten zu bewegen. Hinzu kommen private Konflikte, welche sich aus den Dienstzeiten, dem eigenen Leistungsanspruch und dem Bedürfnis nach häuslicher Ruhe ergeben.
Um all diese auszuhalten, müsste dem Polizisten eigentlich eine separate Beschulung zuteilwerden, die ihn dazu befähigen, schadlos daraus hervorzugehen. Ich spreche von Verhaltensmustern, Kenntnisse bezüglich der Belastungen und Aufbau einer Persönlichkeit, die gesund damit umgehen kann.

Das findet, wenigstens bei der Berliner Polizei, nicht statt. Diese Aufgabe wird im allgemeinen Vorgesetzten übertragen, denen es selbst überlassen ist, sich hierzu Kenntnisse anzueignen.

Der Fokus liegt meistens bei einem funktionierenden Einsatzbeamten und nicht beim mental gesunden Menschen. Ein sehr wesentlicher Aspekt. Es erfolgt eine berufliche Sozialisation zu einer Persönlichkeit, die alle Merkmale eines Traumatisierten aufweist. Beispielsweise werden die inneren Grenzen vollkommen verschoben. Wo Außenstehende längst von Grenzverletzungen sprechen, winkt der Einsatzbeamte müde ab. Alles zum Thema Gewalt bekommt eine völlig neue Bewertung. Ich kann nur empfehlen einmal den Versuch zu unternehmen einem alt gedienten Polizisten das Feld «Gewalt in der Kommunikation» zu vermitteln. Nicht selten treffen auf der Straße traumatisierte Beamte auf gleichermaßen strukturierte Straftäter.

Auffällige Verhaltensweisen von jungen Polizisten, aber auch älteren, wird in der Gesellschaft in der Regel aufgeregt mit: «Wie können solche Leute bei der Polizei sein?» kommentiert. Eigentlich einfach zu beantworten: Sie wurden dort dazu geformt und sind in diesem Zustand in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen. Einen empathischen emotional aufmerksamen Studenten der Geisteswissenschaften, welcher sich eben genau dazu entschieden hat, werde ich nicht in einer von Gewalt dominierten Demonstration einsetzen können. Eine kritische Auseinandersetzung mit Hierarchien ist bei der Polizei eher nicht angezeigt und oftmals kontraproduktiv. Dann kann ich aber auch nicht ständig eine individuelle Auseinandersetzung mit den Geschehnissen erwarten.
Die Anpassungsfähigkeit in einem Team ist unabdingbar notwendig für einen Einsatzerfolg. Aus Teamgeist wird in der Kritik schnell Korpsgeist gemacht. Wenige erkennen, dass das häufig eine reine Überlebensstrategie ist.
«Der da gerade im Einsatz seine Handlungen nicht mehr unter Kontrolle hat, kann schon morgen ich sein!»

• Der gesellschaftliche Druck und die dauerhafte politische Kritik,
• die Anspannung im Dienst,
• das dauerhafte Leben in einer potenziell gesundheitsgefährdenden bis hin lebensgefährlichen Umgebung,
• die innerdienstlichen Querelen, die aus einer Mangelwirtschaft resultieren,
• die Auseinandersetzung mit dem Erlebten,
• der subjektive oder objektive Mangel an gesellschaftlicher Anerkennung,
• die Ohnmacht, etwas ändern zu können,
• der Verlust der Gestaltungsmöglichkeiten,
• die fortwährende Auseinandersetzung mit den negativen Aspekten einer hierarchischen Situation,
• die Beobachtung einer zunehmenden Polarisierung innerhalb der Gesellschaft,
• die Traumata und oftmals damit einhergehenden privaten Probleme (familiäre Konflikte, Scheidung, Entfremdung von den Kindern, Alkoholmissbrauch, Flucht in überzogene sportliche Aktivitäten, Depressionen),

alles zusammen zerstört einen Menschen, wenn nicht rechtzeitig in den Ablauf eingegriffen wird.

Wie sehen die konkreten Eingriffe in der Berliner Polizeibehörde aus?

Es werden interne Fortbildungsmöglichkeiten angeboten, die sich teilweise mit der Thematik auseinandersetzen. Der Zugang ist theoretisch jedem möglich, praktisch aber durch die Dienstzeiten und der eingeschränkten Kapazitäten, nur bedingt gegeben. Die meisten Angebote werden von intern sozialisierten Beamten gestaltet. Ich wage zu bezweifeln, dass das in der vollen Breite sinnvoll ist.

Auf Verhaltensspitzen bei Traumata wird reagiert. Gleichfalls im Nachgang zu besonders dramatisch bewerteten Ereignissen. Eine professionelle vorhergehende Präparierung findet nicht statt. Die Beurteilung, ob einer in Schwierigkeiten ist, obliegt dem Vorgesetzten. Mich amüsiert immer, wenn in Krimis der Öffentlichkeit suggeriert wird, dass bei der Polizei eine Supervision durch einen Psychologen stattfindet.

Dem Beamten bleibt nur die Möglichkeit, sich selbst extern um eine professionelle Unterstützung zu kümmern. Meistens ist das Kind dann bereits in den Brunnen gefallen.

Die Berliner Polizei befindet sich mit dem Setzen auf eine Schadensbehebung, statt einer dauerhaften Begleitung und Prävention der Mitarbeiter im Außeneinsatz, in der Steinzeit.

Nicht einmal eine vernünftige retrograde Untersuchung der Umstände und Strukturen, die zu einem merkwürdigen Fehlverhalten eines Beamten geführt haben, findet statt. Der disziplinarwürdige Sachverhalt wird bezüglich des Betroffenen abgehandelt, die strukturellen Gründe interessieren im Regelfall niemanden.

Wenn zum Beispiel ein Sachbearbeiter vermehrt Urkundenfälschungen oder Strafvereitlung durch das Unterschlagen von Akten betrieb, wird dies ausschließlich individuell ausgewertet. Maximal erwischt es noch den unmittelbaren Vorgesetzten. Was genau den Bearbeiter in diese Handlung getrieben hat und eine Veränderung findet nicht statt.

Meiner Kenntnis nach, findet keine anonymisierte Sammlung von klassischen Symptomen eines Systemfehlers statt. Das vermehrte Auftreten sog. Widerstandsbeamter, also Polizisten, die mittels provokanten Auftreten regelmäßig Einsatzlagen eskalieren lassen, Krankenstände, mit signifikanten Krankheitsbildern, registrierte Alkoholexzesse, unsachgemäßer Umgang mit Asservaten und Ermittlungsakten, sind Indikatoren für falsche Strukturen. Nur mit einer Auswertung und offener Suche nach neuen Möglichkeiten, könnten Änderungen herbei geführt werden.

Ich persönlich kann Beamten, die sich in einer Lebenssituation sehen, in der sie an allen Fronten am kämpfen sind, nur raten, den Weg zu einer externen Beratung anzustreben.

Dauerhafter «Clinch» mit der Struktur, Vorgesetzten, in der Familie und mit Freunden ist ein Anzeichen, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte.

Gleichermaßen sieht es mit einem Bekanntenkreis aus, der sich nur aus Personen zusammensetzt, die eine ähnliche Struktur haben. Es ist meiner Erfahrung nach ganz sinnvoll, seinen Bekanntenkreis kritisch zu betrachten. Denn er ist ein Spiegel der eigenen Person. Genauso sind alle Konflikte eine Information über einen selbst. Wenn überall nur noch Konflikte sind, ist man unter Umständen selbst ursächlich oder lebt wenigstens entgegengesetzt zur eigenen Natur.

Schwindende Akzeptanz für Gegebenheiten, das Schwinden von Gelassenheit, der Verlust der Fähigkeit sich selbst ein harmonisches Umfeld zu schaffen, sind Alarmzeichen. Dazu gehört auch das ständige «Motzen» auf die Gesellschaft. Kleiner Hinweis: Sie existiert nicht! Man betrachtet immer einen kleinen Ausschnitt, meistens den, welchen man präsentiert bekommt oder dienstlich erlebt. Nicht mehr differenzieren zu können, ist ein Zeichen geistiger Ermüdung und bildlich gesprochen der Eingang zum Tunneldenken. Heute noch, zwei Jahre nach einer lebensverändernden Einstellung, habe ich noch damit zu kämpfen, den Tunnel wieder zu verlassen.
Selbstredend gibt es gesellschaftliche Prozesse, die durchaus kritisch zu sehen sind. Aber was genau haben sie mit meinem eigenen Leben zu tun? Kritik üben, sich aktiv am Versuch eines Veränderungsprozesses zu beteiligen ist eins, es zu einem persönlichen Problem werden zu lassen ist etwas anderes. Das nennt sich Aufregen! Im Wort steckt das Verb «sich regen». Damit wird signalisiert, dass da im eigenen Innern etwas passiert.

Wer meine BLOG Beiträge verfolgt, weiß von meiner aktuellen Reise. Genau genommen ist die Reise beendet und ich residiere aktuell in einer weit entfernten vorübergehenden Eremitage. Hier ist jeden Tag sonnig, ich kann nach Belieben ins Meer, Bier und Zigaretten sind günstig. Ab und zu ertappe ich mich dabei, wie mein Körper hochfährt und ich mich aufrege. In diesem Satz stehen mehrere positive Sachen. Ich habe gelernt, es bewusst zu merken, und es ist kein Dauerzustand. Um dieses zu erreichen musste ich mein gesamtes Leben auf den Kopf stellen. Zuvor stand ich ständig unter Strom.
Vor sehr langer Zeit setzte ich mich mal in einer dieser berühmt berüchtigten Zugleichaufgaben mit der Thematik Stress auseinander. Damals erläuterte ich anderen, dass sie innerlich ein inneres Level aufbauen.

Wird das Level nicht aktiv reduziert, bleibt ein Rest vorhanden oder um beim Level zu bleiben: Der neue Tag startet nicht bei Null, sondern auf Level 10. Das summiert sich auf Dauer. Aufregen wird damit auf einem im Highlevel – Zustand gestarteten Raketenstart, der den Körper gefährdet. Doch wie heißt es so schön? Der Schuster hat die schlechtesten Schuhe.

In diesem Zustand sind wir nicht mehr in der Lage, die Lebenssituation eines anderen zu sehen, wir hören nur noch, was wir hören wollen und sind ständig auf der Suche nach Bestätigungen, für unsere Meinung. Da ist es egal, ob wir es mit Ironie, Humor oder eventuell einer vollkommen anders gemeinten Aussage zu tun haben.

Aus der Ferne heraus, ließ ich in den letzten Wochen meine persönlichen Lebensereignisse Revue passieren . Gleichfalls sah ich mir die mich umgebenden Personen zu Hause an. Die Social Media machen das einem sehr einfach. Beides zusammen hat mir gezeigt, wer ich einst gewesen bin. Wenn ich wieder zurückkehre, habe ich ein gutes Fundament. Die vielen Biografien, die ich unterwegs kennenlernen durfte, zeigten mir , dass diverse Lebensereignisse vollkommen normale biografische Ereignisse sind. Nur der Umgang damit ist unterschiedlich. Ich lernte geschiedene Männer kennen, die zeitweilig obdachlos wurden. Väter, die keinen Kontakt mehr zu den Kindern hatten. Soldaten, die zu Hippies wurden und viele mehr.

Ich will damit an einige Leser die Botschaft vermitteln: Es gibt ein Leben nach der Polizei, man muss es nur führen. Der Beruf kann die Sicht verengen, aber auch, vorausgesetzt die dort erworbenen Fähigkeiten werden gut eingesetzt, deutlich erweitern.

Ein ehemaliger jüngerer Kollege schrieb letztens bei Twitter:

«Echt jetzt Trölle? Du musst ja wirklich einen Lebenswandel hinter Dir haben. Wir waren noch nie so bedroht, wie heute. Aber ist natürlich was anderes, wenn man unter Palmen sitzt und sich einen Cocktail gönnt.»

Ich vermute, er meint die Clans und den Terrorismus, dies würde zumindest zu seinem Ausschnitt passen, den er sieht. Ich kenne Ältere, die die Bedrohung von anderer Seite her, nämlich im Rechtsruck der Gesellschaft sehen. Wir? Wer oder was ist das? Die freie Welt? Europa? Die globale Gesellschaft? Wir bedeutet: Ich bin auch gemeint. Die letzten aktuellen Bedrohungen meines Lebens waren ein aufziehender Tropensturm, eine herunterfallende Kokosnuss und eine umstürzende Palme, die an dem Platz, wo ich bisher immer saß, einen 24 jährigen Einheimischen erschlug. Zuvor war mein Leben gesundheitlich bedroht. Mein eigener Geisteszustand wurde als potenzieller Amokläufer bezeichnet.

Ich habe mir letztens darüber Gedanken gemacht, wie ich einem Außerirdischen meine Herkunft und Spezies erklären würde.

Wenn ich beispielsweise sagen würde, dass ich aus Deutschland, konkret aus der Stadt Berlin stamme, könnte er damit nicht sonderlich viel anfangen. Er wäre vermutlich verwundert. Seine Fragen könnten sich danach richten, in welcher klimatischen und tektonischen Region des Planeten ich lebe und vor allem, warum ich dies tue. Es ist wie bei einem Blatt Papier, auf das ich ein Bild zeichnen will. Wenn ich mit der Nase knapp oberhalb des Blattes bin, werde ich alles klein bei klein zeichnen. Um das komplette Bild zu erkennen, muss ich von weiter oben schauen. Entferne ich mich vom Zeichentisch, sehe ich das Blatt auf dem Tisch liegen und gehe ich noch weiter weg, sehe ich unter Umständen das komplette Haus und kann durch ein Fenster den Tisch sehen. Das kann unendlich fortgesetzt werden.
Ich habe gesehen, worum sich Menschen in anderen Ländern sorgen. Gleichermaßen habe gehört, welche Gedanken sich lebensältere Reisende machen, wenn sie Erfahrungen in mehreren Ländern zusammenfassten. Ich durfte die Welt aus kanadischer, neuseeländischer, US amerikanischer, asiatischer und europäischer Sicht kennenlernen. Zusätzlich durfte ich den Effekt erleben, wenn ein Deutscher aus dem Süden einem Irländer sein Land erklärt. Der Irländer kennt jetzt ein Deutschland, welches ich noch niemals erlebt habe.

Bei uns ist ein Schimpfwort aufgekommen. «Der Relativierer!» Benutzt wird er von den Menschen, die ein Ereignis als etwas exorbitant Besonderes herausstellen wollen, damit klar wird, dass ihre darauf fokussierte Sichtweise, die einzig Richtige ist. Ohne Relationen kommt das Gehirn aber nicht aus. Dies bemerken diese Leute spätestens, wenn sie in Bezug auf die Informationsfreiheit ausgerechnet Nordkorea heranziehen. Nach Verlassen Chinas las ich eine Diskussion darüber. Ich betone danach. Denn in China konnte ich weder Twitter noch Facebook lesen.

Burnout! Das eigene Leben in Relationen zum Geschehen setzen, nicht so sehr am Schicksal anderer, sich die Freiheit nehmen, das eigene Empfinden auch mal wichtiger zu nehmen, als das anderer Menschen, wieder eine Gelassenheit herstellen, die einem den nötigen Abstand und damit Überblick verschafft, sind gute Gegenmaßnahmen. Warum nicht bei einem Cocktail?


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Verfasst 15. Januar 2019 von Troelle in category "Allgemein

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