Vor 40 Jahren

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In wenigen Tagen liegen zwischen Georg Orwells dystopischen Jahr “1984” und der Zeit in der wir leben 40 Jahre und wiederum 75 Jahre sind seit der Veröffentlichung 1949 vergangen. Orwell konnte nichts über die heutigen technischen Möglichkeiten wissen. Er orientierte sich daran, wie er eine bestimmte Sorte Mensch einschätzte und was passieren würde, wenn man diesen Leuten die Möglichkeit der Überwachung und Manipulation in die Hände geben würde. Den Drang zur Kontrolle, Manipulation, vordergründig zur Minimierung aller Risiken, tatsächlich zur Herrschaftsausübung, gab es bereits ’49, aber im Verhältnis zur Jetztzeit waren sie äußerst beschränkt.

Bei Heise Online las ich über die Pläne der sich konstituierenden großen Koalition in Hessen. Unter anderen ist dort nachzulesen:

Die geplante schwarz-rote Koalition in Hessen hat sich auf ein umfassendes Überwachungspaket verständigt. Sie will damit unter anderem Sicherheitsbehörden wie Polizei und Geheimdiensten “in engen Grenzen und mit richterlicher Anordnung” den “Zugang zu bestehenden privaten audiovisuellen Systemen” gestatten. Fahnder und Agenten sollen so im Rahmen der bestehenden rechtlichen Befugnisse “beispielsweise die Wohnraumüberwachung durchführen” können, heißt es im Koalitionsvertrag, den CDU und SPD am Montag unterzeichneten. Das Vorhaben erinnert an die umstrittene Initiative der Innenministerkonferenz 2019, intelligente Sprachassistenten wie Amazon Alexa, Google Home oder Apple Siri genauso anzuzapfen wie “intelligente” Fernseher, Kühlschränke oder Türklingeln.

https://www.heise.de/news/Polizeibefugnis-CDU-und-SPD-in-Hessen-wollen-digitale-Wanzen-im-Wohnzimmer-9577621.html

Die Taktik wird seit Jahrzehnten verfolgt. “Wir wollen doch nur Sicherheitsrisiken minimieren. Alles im rechtlichen Rahmen und unter Vorbehalt eines Richters!” Meiner Erfahrung nach sind Richter*innen keine Überwesen und unter ihnen befinden sich genügend Charaktere, die mit Vorsicht zu genießen sind. Allerspätestens mit der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen “Klima-Aktivisten*innen” wegen der Bildung einer “Kriminellen Vereinigung” hat die seit 1989 bestehende Bundesrepublik Deutschland ihre Unschuld verloren und signalisiert, wo es hingehen soll. Wie ich es bereits einige Male im BLOG darlegte, hängt an diesem Paragrafen einiges dran. Mit dem Verfahren ist klar erkennbar, wie niedrig die Schwelle geworden ist, bis Mitbürger*innen für entscheidende Stellen des Systems zu bedrohlichen Extremisten und Kriminellen werden. Außerdem werden umfassende polizeiliche Maßnahmen zur Überwachung der unmittelbaren Protagonisten, aber auch ihres weiteren Umfelds ermöglicht. Und mir scheint, dass die Schwelle kontinuierlich gesenkt wird.

Bemerkenswert finde ich dabei den Umstand, dass die Verfassungsschützer die Einstufung als gefährliche Extremisten verneinte und im gleichen Zuge die Überwachung mit nachrichtendienstlichen Mitteln ablehnte. Später folgte die Innenministerkonferenz und mit einem Mal gelangte die Kriminelle Vereinigung in den Diskurs. Wobei ich mir die Frage stelle, warum nicht gleich als „lex specialis“ die Terroristische Vereinigung angewendet wird. Immerhin treten Vertreter von allen im Bundestag vertretenen Parteien ans Pult und sprechen von Terroristen*innen. Wenn schon, dann richtig.

Ein weiterer Aspekt bleibt häufig unbeachtet. Überwachung erforderte in analogen Zeiten einen erheblichen finanziellen, personellen und logistischen Aufwand. Bereits dies setzte die Messlatte recht hoch. Ob und in welchem Umfang Personen überwacht wurden, erforderte eine Kosten/Nutzen – Analyse. Im Zeitalter der Digitalisierung ist vieles deutlich günstiger geworden. Rhetorisch ergeben sich zwei Richtungen. Entweder, kann Dank der Digitalisierung im erforderlichen Maß überwacht werden, wohingegen noch in den 90ern ein gefährliches Defizit bestand oder es besteht die Gefahr des Übermaßes.

Wenn es um Überwachung geht, sind Menschen nicht objektiv und rational, sondern im höchsten Maße irrational und paranoid unterwegs. Ein wenig spukt bei vielen im Kopf herum: “Ich hab zwar nichts gemacht, aber wer weiß …” Allein schon, weil Deutsche bezüglich der Überwachung auf ganz eigene Erfahrungen zurückblicken können. Machen wir uns nichts vor, die Möglichkeiten der Staatssicherheit sind im Vergleich zu denen im Jahr 2023 ein Kindergeburtstag gewesen. Ausschlaggebend ist nicht, was tatsächlich passiert, sondern was als möglich angenommen wird. Solche Sachen verändern eine Gesellschaft oder anders gesagt, sie sind ein schleichendes Gift.

Hinsichtlich der Faktenlage gebe ich auch zu bedenken, welchen erheblichen Aufwand mittlerweile investigative Journalisten*innen betreiben müssen, um ihnen zugespieltes Material an einflussreichen Politikern*innen, Personen aus der freien Marktwirtschaft, die mit ihnen vernetzt sind und Institutionen, wie BfV, BND, BKA, vorbeizuschmuggeln, damit sie veröffentlicht werden können (z.B. Panama Papers, BND U-Boot Affäre, Cum Ex-Files).

Ohne jegliche Überwachung oder Infiltration krimineller, terroristischer Kreise geht es innerhalb der von uns gewählten Ordnung nicht. Aber zwei Fragen müssen zwingend auf dem Tisch liegen und überdacht werden: Wann wird ein Kipppunkt erreicht, an dem die Nachteile der Überwachung die Vorteile überschatten? Was passiert, wenn die vorhandenen Mittel, Freigaben und Gesetze, denen in die Finger gelangen, die man abwehren wollte? Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eben genau dies eins der Ziele von Terror ist: die Provokation von Reaktionen, die nach und nach die freie Gesellschaft abschaffen und aus Sicht der Terroristen zur Demaskierung zwingen.

Sicherheit und Freiheit liegen auf einer Strecke. Je mehr ich mich gegen alles Erdenkliche absichere und die Risiken minimiere, umso mehr gebe ich von der Freiheit auf. Ein hermetisch abgeriegelter Bunker ist ein sicherer Platz, gleichzeitig ist er aber auch Gefängnis. Wie viele Risiken muss eine freie Gesellschaft aushalten? Wie groß ist das Interesse an ihr oder ist sie einer gesellschaftlichen Mehrheit unheimlich bzw. zu anfällig für Gefahren?

Wobei an der Stelle auch zu betrachten ist, welche Gefahren, welcher Qualität, von wem und für was gesehen werden. Ob zum Beispiel eine Straßenblockade ein zu- oder unzulässiges Mittel des Protestes ist und welche Gefahrenlage durch sie entsteht, ist nicht davon abhängig, wer sie durchführt. Die Gefahr an sich wird nicht durch die Häufigkeit der Blockaden qualifiziert. Jede ist für sich zu betrachten. Jedenfalls, solange sie nicht Teil einer konzertierten Aktion ist und mehrere gleichzeitig stattfinden. Ein Bauernprotest, in dessen Zuge eine Blockade mit landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen herbeigeführt wird, erzeugt die gleiche Gefahrenlage, wie ein Protest gegen die unzulänglichen Maßnahmen der Regierung bezüglich der Klimakatastrophe. Eine unterschiedliche Bewertung ist unlogisch und dennoch findet sie medial, gesellschaftlich und politisch statt. Es erschließt sich mir nicht, warum die einen Protagonisten „Kriminelle“ sind die anderen nicht.

Bezüglich der Klimaaktivisten wurde angeführt, dass Rettungskräfte nicht mehr ihren Aufgaben nachkommen könnten. Sollte es an dem tatsächlich sein, haben wir in Deutschland ein eklatantes Sicherheitsproblem. Dies bedeutete, dass jede Baustelle, jeder Stau und auch jedes terroristische Szenario die Rettungs- und Sicherheitskräfte vor unlösbare Aufgaben stellen würde. Gut, dass das nicht der Fall ist. Versierte gut ausgebildete Kraftfahrer finden ihren Weg und relevante Gebäude haben aus solchen Gründen mehrere Zu – und Ausfahrten. Wenn es eine handfeste Gefahr gibt, dann ist es die Reduzierung der Anzahl von Rettungsfahrzeugen und Personal. Insofern ist die Argumentation vorgeschoben und verschleiert, worum es tatsächlich geht. Der Protest ist lästig und ihm soll deshalb der Garaus gemacht werden. Kurzum: Der Protest wird in interessanter Art und Weise kriminalisiert, damit wiederum die Überwachung des Protestes legitim erscheint.

Nochmals: Überwachung an sich ist bis zu einem gewissen Maße, an den richtigen Stellen eins von vielen notwendigen Mitteln der Abwehr von Gefahren, bei denen das Eintreten eines erheblichen Schadens im hohen Maß wahrscheinlich ist oder wenn es um die Aufklärung schwerwiegender oder gemeingefährlicher Taten geht.

Edward Snowden deckte auf, welche Ausmaße die Überwachung in den USA hat. Es wäre wahrlich naiv, US-amerikanische Verhältnisse für Deutschland als unmöglich einzustufen. Ganz im Gegenteil, wenn man berücksichtigt, dass offen gefordert wird, in den USA angewendete Software, Stichwort: Palantir Gotham u.a., in Deutschland zu legitimieren. Die von Palantir gelieferte Software ist keine, die der Überwachung und Erlangung von Daten dient, sondern sie ermöglicht die Analyse und Verknüpfung großer Datenmengen.

Zuerst müssen die Daten vorhanden sein, ansonsten ist die Software nutzlos. Wer sie also fordert, sitzt bereits auf einer ganzen Menge Datensätze und benötigt ein Werkzeug, mit dem sie effizient ausgewertet werden können. Mich macht das nachdenklich. Einige Systemkritiker sehen als eine der größten Gefahren für die freien demokratischen Gesellschaften die fortschreitende Verzahnung der Wirtschaft, hier besonders multinationale Konzerne, mit der Politik. Sie begründen dies mit dem Aufbau der Konzerne, die mit Demokratie gar nichts am Hut haben, sondern rein über Profite, Wachstum, strukturiert sind und eine Hierarchie aufweisen, die nach den vorstehenden Kriterien von oben nach unten wirkt. Deshalb fordern sie von den Regierungen einen Schutz der Bevölkerungen vor den Begehrlichkeiten der Konzerne.

Wenn nun privatwirtschaftlich gesammelte Daten mit aus staatlichen Verwaltungsdaten und mittels polizeilicher bzw. nachrichtendienstlicher Vorgänge generierten, zusammenfinden, übergreifend mit Programmen ausgewertet werden, ist die alte Dystopie endgültig Realität geworden und neue Befürchtungen entstehen.

Ich kann mir gut vorstellen, das ein bestimmtes Konsumverhalten, Seh- und Leseverhalten, bevorzugte Aktivitäten, einige dazu verleiten könnten, eine „Gefährderanalyse“ durchzuführen, die dann wiederum bisher unauffällige Personen in den Fokus rückt. Schulden, mangelnde Kreditwürdigkeit, bei Amazon subversive Literatur bestellt, in der Playlist diverse Protestsongs gelistet, Internet-Recherchen zu Themen wie Ökologie, Klima, Umtriebe von multinationalen Konzernen, Wirtschaftskriminalität, fertig ist der potenzielle politische Gefährder, dem man etwas genauer unter die Lupe nehmen sollte.

Immerhin existieren bereits Programme, die Bewegungen und Verhalten von Passanten oder Besuchern öffentlicher Plätze, Flug – und Bahnhöfen analysieren und bei bestimmten Parametern Alarm schlagen. Ich finde den Gedanken naheliegend, dies auf das oben dargestellte auszuweiten – wenn es denn der allgemeinen Sicherheit dient, warum nicht? Und wer die richtigen Bücher liest, nicht zu sehr alles hinterfragt und hinnimmt, was offiziell proklamiert wird, sich auf kommerziellen Mainstream beschränkt, hat nichts zu befürchten. So what?

Wie eingangs gesagt: Orwell entwickelte seine Dystopie auf Basis der vorhandenen Bedürfnisse der Mächtigen und einiger Gesellschaftsanteile, ohne dass alle notwendigen Techniken existierten. Darüber sind wir hinaus. Was technisch möglich ist und sein wird, zeichnet sich konkret ab. Stellt sich nur eine Frage: Haben sich die damaligen Bedürfnisse und Begehrlichkeiten verändert? Die Antwort lasse ich offen.

Kollaps, Apokalypse, Untergang

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Die Erde ist ein lebender Organismus. Sie kann Zerstörung nur bis zu einer gewissen Grenze tolerieren. Dann beginnt sie, sich selbst zu reinigen. Wenn das heißt, der Mensch muss verschwinden, dann wird das passieren.

John Fire Lame Deer, Häuptling der Mnikowoju-Lakota-Indianer

Ich habe mir zum Prozess der Zerstörung des Lebenssystems des Planeten Erde jede Menge Videos angesehen, Texte, Artikel und Bücher gelesen. Neben dem Blick aus der Ferne, habe ich die Auswirkungen an verschiedenen Orten selbst gesehen. Vor ca. 10 Jahren wusste ich von all diesen Dingen, aber rückblickend stelle ich fest, dass mir weder bezüglich des IST – Zustands alles klar und noch weniger das Ausmaß der weltweiten Untätigkeit bewusst war. Doch es ist nicht allein die Untätigkeit, die mich regelmäßig zornig macht, vielmehr sind es die Dinge, welche den wenigen Aktiven entgegengesetzt werden. Dahinter stehen Interessen, Motive und vor allem ein Vorsatz.

Mich macht es fassungslos, dass die weltweit größten Ölkonzerne bereits in den Siebzigern ziemlich genau wussten, wo die Reise hingeht und sie aus rein finanziellen Motiven heraus eine genau entgegengesetzte PR Kampagne starteten. Was geht einer oder einem im Kopf vor, wenn er alles weiß, aber sich dafür Geld geben lässt, alles an die Wand zu fahren? Was mache ich daraus, wenn ich erfahre, dass im Kalten Krieg, besonders unter der Federführung von Ronald Reagan und Magaret Thatcher, alle Satelliten Auswertungen bezüglich Klima Veränderungen sabotiert wurden? War es das Wert? War die Angst vor dem bösen Russen größer, als die Zukunft der kommenden drei Generationen. Beide leben nicht mehr. Es kann ihnen egal sein, sie haben ihr Ding gemacht.

Die Apokalypse spielte in den Religionen der Menschen schon immer eine Rolle

Gut, dies ist die Vergangenheit. Was heute passiert ist nicht besser. Nahezu jeder populäre Beitrag wird mit der Formel eingeleitet: Menschen glaubten schon immer an die Apokalypse und sie ist nie eingetreten. Meistens folgt noch der Verweis auf den Maya – Kalender, den einige verwirrte Esoteriker als Anlass für die Verkündung des nahenden Weltuntergangs nahmen. Das Ziel ist eindeutig. Jeder, der auf die stattfindenden Prozesse und den sicheren, eher noch tief gestapelten Folgen hinweist, soll in eine religiöse Ecke geschoben werden. Tief gestapelt? Alles was den Naturwissenschaftlern bekannt ist, bezieht sich auf Simulationen mit den ermittelten Parametern, sich katalytisch auswirkende Faktoren, die aus Ergänzungen innerhalb der komplexen Prozesse entstehen, können schwer berücksichtigt werden. Zum Beispiel können die kompletten Auswirkungen verursacht durch das Auftauen des Permafrost und die damit verbundene Freisetzung von Klimagasen kaum eingerechnet werden. Aber eins steht fest, es wird mit absoluter Sicherheit nicht zur Verbesserung führen, sondern es ist nur fraglich, wie viel schlimmer und vor allem schneller es dadurch wird.

Nein! Es geht nicht um Glauben, Religion, Apokalypse! Weltuntergang! Früher ging es den Religionsführern darum, den Menschen die Hybris abzugewöhnen und ihnen immer wieder die Demut vor dem Höheren, welches sie vernichten oder leben lassen kann, zu vermitteln. Eben jene Demut, die der Mensch links liegen ließ und sich anderen Ideologien zuwandte, die die Hybris favorisierten. Im 21. Jahrhundert stehen wir an einem völlig anderen Punkt. In großen Teilen der Welt haben die Gesellschaften das zentralistische Weltbild aufgegeben und sich den Naturwissenschaften zugewandt. Diese Naturwissenschaften haben Dinge möglich gemacht, deren Tragweite damals nicht gesehen wurde, aber heute mit der gleichen Methodik sichtbar wird. Der erste Teil gefiel uns, der zweite bedeutet Einbußen bei dem, was wir heute ohne jegliche Kritik als Lebensqualität erachten. Wer sich für verständliche aufbereitete Daten interessiert, findet sie auf der Seite Deutsches Klimaportal. Es gibt aber auch die ganz kurze Form. Der Philosoph Precht wurde gefragt, was er einem Leugner dieses Wandels entgegnen würde. Er meinte, dass er einfach die Bilder der Enkelkinder hoch halten würde. Die passenden Diskussionsbegriffe heißen prognostizierter Kollaps oder Sturz in den Abgrund. Die Welt wird nicht untergehen. Das Leben, wie wir es kennen und mit dem heutigen Verständnis als lebenswert erachten, wird ein von uns selbst herbei geführtes Ende finden. Ich verwende den Begriff Kollaps nicht in einer unmittelbaren Anlehnung an die in Frankreich entstandene Bewegung der Collapsologie. Obwohl ich vieles, was die dort für die Zukunft sehen, selbst als mögliche Folgen sehe.

Mit Panik sollen Verbote durchgesetzt werden

Wird denen, die radikale Veränderungen und besonders eine verbindliche globale Zusammenarbeit fordern, keine Pseudo – Religion unterstellt, kommt die Kritik einer vermeintlichen Panikmache. Mir hat kürzlich ein Bild gefallen, welches sich mit meiner Berufserfahrung deckt. Ein mehrstöckiges Mietshaus brennt und durch den Hausflur zieht dicker giftiger Rauch. Einer der eingesetzten Polizisten übernimmt den Job, sich von Tür zu Tür zu kämpfen, die Bewohner zu warnen und sie zum Verlassen des Hauses aufzufordern. Ist der Polizist ein Panikmacher? Oder noch ein anderes Beispiel. Es kommt immer mal wieder zu Chemieunfällen, bei denen geruchlose hochgiftige Gase austreten. In der Regel wird eine Bannmeile eingerichtet, an deren Grenzen Einsatzkräfte mit ABC Schutzanzügen und Dosimetern stehen. Panikmacher? In den Augen diverser Zeitgenossen auf jeden Fall. Es ist immer wieder erstaunlich, wie penetrant einige versuchen, die Absperrungen zu überwinden. Bei den Wohnhäusern ist es nicht anders. “Ich sehe keine Flammen, also bleibe ich!”

Ich selbst wurde schon einige Male gefragt, ob ich Angst hätte und deshalb meine Argumentation führen würde. Nein! Warum sollte ich Angst haben? Ich gehöre zu den Menschen, die sich aufgrund diverser Lebensereignisse über jeden neuen Tag als unerwarteten Zusatzbonus freuen. Bei einer realistischen Einschätzung einer möglichen Lebenserwartung, wird mich die volle Härte nicht mehr treffen und wenn doch, nur für einen überschaubaren Zeitraum. Mir geht es um Prinzipien. Erstens habe ich Kinder, für die ich mich bewusst entschlossen habe und nach meinem Lebensverständnis resultiert hieraus eine Verantwortung. Außerdem ersehe ich keinen Lebenssinn darin, mein Leben dem Schaden anderer Menschen, bekannte oder unbekannte, zu widmen. Ich halte diese Prinzipien für sehr archaisch. In meinem BLOG habe ich schon mehrfach meine Verwunderung über die Leute geäußert, welche sich als konservativ bezeichnen. Für eine wesentlich längere Zeit als das Zeitalter der Industrialisierung war es für Siedler und Nomaden selbstverständlich die Ressourcen des vorgefundenen Landes nicht überzustrapazieren. Dieses Verhalten war vermutlich u.a. der ziemlich schnell folgenden Bestrafung geschuldet. Alle Zivilisationen, die sich daran nicht hielten, gingen deshalb daran zu Grunde. Aber der Schaden blieb örtlich begrenzt und wurde uns in der Regel erst durch Archäologen bekannt.

Die alten Völker der Erde schlagen Alarm

Noch heute gibt es auf der Erde Völker, die sich als Bestandteil ihres Lebensraums verstehen. 2009, also auch schon wieder einige Jahre her, veröffentlichte die Zeitung GEO eine Reportage über die Natives der kolumbianischen Sierra Nevada. Die Mitglieder der Arhuaco, Wiwa und Kogui verstehen sich selbst als “Große Brüder” und bezeichnen alle anderen Menschen, zu denen sie normalerweise jeglichen Kontakt vermeiden als “Kleine Brüder”. Irgendwann bemerkten sie, wie sich um sie herum alles veränderte. Ihnen fiel das Schmelzen der Gletscher auf, bisher nie dagewesene Wetterereignisse und der für sie sichtbare Wandel der Vegetation. In unzähligen Zusammenkünften prüften sie ihr eigenes Verhalten. Doch sie konnten keine Fehler finden, also musste etwas anderes nicht stimmen. Dann stellten sie fest, dass es an den kleinen Brüdern liegen müsste und sie entsandten eine Delegation. Ein Ereignis! Niemals zuvor hatten sie dies getan. In der Delegation befand sich einer ihrer Weisen mit dem Namen Mamo Shipulata. Seine Botschaft an die kleinen Brüder aus der vermeintlichen Zivilisation lautete:

“Kleine Brüder, hört genau. Wir werden lernen, was Mutter Lagune ist. Für uns ist Mutter Lagune das Herz, wie auch die Gipfel das Herz sind. Sie lassen uns atmen. Sie geben uns Nahrung. Was geschieht, wenn ein Mensch kein Herz hat? Er stirbt! Heute sehe ich Dinge, die ich niemals sah. Der Schnee ist geflohen. Der Regen kommt in Farben. Ihr sprecht oft darüber, wie man die Welt ums bewahrt. (Vor der Entsendung der Delegation hatten sie eine Art Außenstation eingerichtet um die “Kleinen Brüder” zu verstehen). Aber ihr habt nichts davon verstanden. Ihr müsst lernen, was bewahren bedeutet. Ihr müsst Euer Leben ändern.”

Mamo Shipulata, Nativ aus der Sierra Nevada, Kolumbien

Eine Botschaft von einem Mann, dessen Volk nichts, aber wirklich gar nichts für die Situation kann. Welches Recht haben wir für unser Leben sein Leben zu zerstören? Ein anderer vom Nordamerikanischen Kontinent kämpft aktuell gegen die Fracking Konzerne in den USA. Der Häuptling der Dakota Chief Arvol Looking Horse (in 19. Generation Träger der Heiligen Weißen Pfeife) prägte die Worte: “Mutter Erde ist nicht die Lieferantin für Ressourcen, sondern die Quelle des Lebens!” Es handelt sich bei den Konzernen, die mal wieder Reservate zerstören wollen, um die Konzerne, welche wenn es nach dem Willen der Deutschen Konservativen geht, Deutschland die für als notwendig erachtete Energie liefern sollen.

Alles halb so wild, dann erfinden wir halt etwas

Die Perversität derer, welche weiter machen wollen, wie bisher, kennt keine Grenzen. Es gibt Zeitgenossen, die die Entwicklung durchaus sehen, doch statt ihr entgegen zu wirken, setzen sie auf eine imaginäre technische Innovation, die ein Leben mit den veränderten und lebensfeindlichen Bedingungen ermöglichen. Dies kostet selbstverständlich Geld und setzt Knowhow voraus, welches in den Schwellenländern nicht vorhanden ist. Historisch sieht das für mich wie folgt aus: Mittels Kolonisation, künstlicher Grenzziehungen und massiver Eingriffe in die Gesellschaftsstrukturen , legten unsere Ahnen die Grundlagen für das Dilemma der Schwellenstaaten. Für die war das völlig in Ordnung, da sie von minderwertigen Rassen ausgingen. Eine einfache konsequente Fortsetzung der christlichen Kirche. Mit den erbeuteten Rohstoffen wurde nicht nur der Wohlstand begründet, sondern gleichzeitig der Zerstörungsprozess eingeleitet. Dagegen gedenken wir nichts zu unternehmen. Statt dessen richten wir uns auf die absehbaren Folgen ein, lassen aber die Schwellenländer außen vor. Wenn die sich das nicht gefallen lassen, machen wir die Grenzen dicht und lassen es konsequent zu einem Klimakrieg kommen, den zu führen meine Generation den Kindern überlässt. Was bin ich froh, genau in der Mitte, der goldenen Ära Europas geboren zu sein.

Ein nicht zu verachtender Umstand. Es geht vielen leicht über die Lippen, dass sie sich um ihre Kinder und deren Zukunft sorgen. Das klingt gut, selbstverständlich und stößt auf keinen Widerstand. Die Realität sieht meiner Meinung nach ein wenig aus. Diversen Eltern sind ihre Kinder vollkommen egal. Und inwiefern Frauen und Männer, die keine Kinder haben, zwingend an eine nächste Generation denken, weiß ich nicht. Ich will es niemanden absprechen, aber selbstverständlich davon auszugehen halte ich für gewagt. Zu diskutieren wäre auch, ob sich die, welche sich den Kindern verpflichtet fühlen, nur auf ihre eigenen beziehen oder ein globales Denken entwickeln. Bei den Anhängern der beschriebenen Anpassungstaktik ist es hundertprozentig nicht der Fall, denn die wollen ihre Kinder gegen die Kinder der anderen Länder in den Krieg schicken. Ich frage mich, ob sie sich der Parallelen zum Denken der alten Kolonialisten bewusst sind. Die industrialisierten Staaten mit Waffen gegen die vermeintlich “primitiven”. Ich gehöre nicht zu denen, die schnell die Rassismuskeule aus der Schatulle holen, aber an der Stelle ziehe ich sie hervor. Ein Teil des Lösungsprozesses wäre es, endlich dieses nationale Denken abzulegen und wenn überhaupt den Begriff Deutschland als die Bezeichnung für eine noch zu entwickelnde Idee zu verstehen. Ähnlich, wie die USA einst das Land der unbegrenzten Möglichkeiten war und zum kulturellen “Melting Pot” wurde. Die US Republikaner haben diese Karte verspielt und sie werden dafür teuer bezahlen. Skurril ist dabei, dass dieses in einem Land passierte, in dem die echten Amerikaner keine gesellschaftliche Rolle spielen.

Mit der richtigen Rhetorik lächelnd in den Abgrund

Klimaleugner und Skeptiker sind weltweit kein gravierendes Problem. Im Verhältnis zu denen, die verstanden haben wo wir stehen, sind sie eine Clownsarmee. Die wirkliche Gefahr geht von denen aus, die Bescheid wissen, aber nicht konsequent handeln.

Sie kämpfen mit allen Mitteln. Angeblich schützen sie die Umwelt. Also die Welt um den Menschen herum. Das suggeriert ein Wesen außerhalb des Ganzen, welches sich anmaßt, als Starker Schutz zu bieten. Schutzgelderpresser gehen in ein Lokal hinein und bieten Schutz vor sich selbst an. Zahlt das Opfer nicht, kommen sie vorbei und zerlegen alles. Umweltschutz scheint das Gleiche zu meinen. Denn vor wem wollen wir denn diese Umwelt schützen? Vor uns selbst und niemanden anders. Stellt sich nur die Frage, wie die anderen Lebewesen bezahlen sollen, damit wir aufhören alles zu zerstören. Der Ansatz ist völlig falsch. Was wir betreiben ist ein erweiterter Suizid ohne Botschaft. Denn wer sollte sie lesen? Klimaschutz! Wir, ein Teil der Menschheit, schützen das Klima. Interessant!

Laut Umweltbundesamt ist Klima der mittlere Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Gebiet über einen längeren Zeitraum. Als Zeitspanne empfiehlt die Weltorganisation für Meteorologie (WMO – World Meteorological Organization) mindestens 30 Jahre, aber auch Betrachtungen über längere Zeiträume wie Jahrhunderte und Jahrtausende sind bei der Erforschung des Klimas gebräuchlich. Das Klima wird durch statistische Eigenschaften der Atmosphäre charakterisiert, wie Mittelwerte, Häufigkeiten, Andauerverhalten und Extremwerte meteorologischer Größen.

Um diese Zeitspannen zu untersuchen schickt man Wissenschaftler ins ehemals “ewige” Eis, die mittels Kernbohrungen das Gedächtnis der Erde befragen. Siehe da, Streifen für Streifen lässt sich beweisen, was wir alles veranstaltet haben und welche Auswirkungen dies hat. Bei einem Bericht darüber dachte ich: “Du armer Irrer!”. Sie ließen einen jungen Kanadier zu Wort kommen, der die Hinterlassenschaften von Bleioxid untersuchte. Begeistert beschrieb er, wie wirkungsvoll sich das Verbot Ende der Achtziger ausgewirkt hat. Wenn dies möglich gewesen ist, bestehe doch für CO2, andere Klimagase und Giftstoffe noch Hoffnung. Ich weiß nicht, mit welchen Drogen sie auf der Station versorgten, aber sie müssen gut gewesen sein. Das Klima kann nicht beschützt werden, es kann nur vermieden werden, in die Prozesse mittels Beigabe von Stoffen, den Treibhauseffekt über das lebensnotwendige Maß in alles Lebende bedrohende hinauf zu steigern. Ein Schutz wäre die Abwehr eines Kometen oder Maßnahmen gegen Sonnenstürme.

Sie versprechen eine Energiewende oder besser eine Decarbonisierung. Überall sollen alternative Energiegewinnungen erforscht und installiert werden. Die Sache hat mehrere Haken. Parallel entwickelt sich die Technisierung rasant weiter. Damit steigt in den Industriestaaten der tägliche Hunger nach Energie. Begeistert klatschen die Jünger der Wachstumsreligion in die Hände und freuen sich über die immer kürzer werdenden Abstände der Innovationsschübe und die schwindelerregende Geschwindigkeit mit der sich Rechenkapazitäten erhöhen. Doch wenn man schon jetzt nicht mit alternativen Energien, die teilweise den Nachteil haben, dass ihre Bestandteile zwar nicht unbedingt das Klima beeinflussen, dafür aber nachhaltig die anderen Lebensgrundlagen vergiften, den aktuellen Bedarf decken kann, wie will man dann der Innovation hinterher kommen? Eine Textaufgabe, die selbst für mich als Mathematik Vollidiot, verständlich ist. Eine Schnecke kriecht mit 0,003 km/h einem 170 km/h fahrenden ICE hinterher. Kann die Schnecke den Zug einholen, bevor er mit voller Geschwindigkeit in den Poller am Ende des 10 km entfernten Bahnhof kracht? Ich denke, auch ohne es zu berechnen: Nein! Mal ganz abgesehen davon, dass es vollkommen unerheblich ist, ob sie ihn einholt. Der entscheidende Punkt ist der Poller, der der ganzen Angelegenheit eine endliche Note gibt.

Doch meiner Beobachtung nach, denken Leute aus unseren Gefilden ohnehin völlig anders. Auf einer abgelegenen Insel in der Andamanensee traf ich an einem einsamen Strand eine deutsche Touristin mit ihrem Mann. Der Strand war nur mittels Kanu oder einem beschwerlichen Marsch durch den Dschungel zu erreichen. Er hatte vielleicht die Größe eines deutschen Vorstadt Einfamilienhausgarten. Begrenzt war er von hohen Felsen, die im hinteren Bereich eine Lücke ließen, in der der besagte Dschungelpfad mündete. Ebenfalls dort am Ende, hatte sich eine Art ca. 1,50 Meter hoher Damm aus Plastik Müll gebildet. Flaschen, Gläser, Verpackungen aller Art, Medikamentenstreifen, alte Schuhe, Tüten, eben alles womit die Meere vermüllt sind. Entstanden war der Wall durch die Flut, die dort alles ablagerte, so dass der vordere Teil nahezu sauber war. Wir kamen miteinander ins Gespräch. Sie erzählte mir, wie gern sie zu diesem Strand kommen würde. Im Gegensatz zu anderen wäre er sehr sauber, was wohl an der Abwesenheit von Einheimischen läge. Europäer achteten halt mehr auf die Umwelt. Ich will nicht behaupten, dass alle Insulaner Unschuldslämmer sind. Grundsätzlich sind sie nicht einmal die echten Einheimischen. Bis zum Ende der Achtziger waren es die Moken, welche dann vom Tourismus vertrieben wurden. Mit dem Tourismus hätte man sich Gedanken über den Müll machen müssen. Doch der Müll, welcher durch den Tourismus auf den Inseln entsteht, ist nicht der, welcher von der Flut gebracht wird. Der stammt von den Kreuzfahrtschiffen, Seglern, den zahlreichen Fähren, Ausflugsbooten und den Frachtschiffen in der Straße von Malacka. Die Aussage der Touristin, um die 50, tief gebräunt und der Ausrüstung ihres Mannes nach zu urteilen, nicht die Ärmste, verschlug mir die Sprache.

An dieser Stelle magst Du Dir die Frage stellen: Wie ist er denn da hingekommen?

Stimmt! Mit dem Flugzeug! Einem Schadstoff ausstoßenden Flugzeug. Mit einer Fluglänge, die meinen CO2 – Abdruck mit Sicherheit in die Höhe getrieben hat. Also den persönlichen, welcher noch zu dem addiert werden muss, den ich als Deutscher per Anteil an dem der Deutschen Industrie ohnehin habe. Warum? Weil ich ein Heuchler bin, der Wasser predigt und Wein trinkt? Ja, damit sind alle schnell dabei. Wäre es eine Entschuldigung, wenn ich feststelle, dass ich mit 40 das erste Mal überhaupt geflogen bin? Nun, der statt dessen zum Reisen benutzte Opel Omega Kombi oder mein Sprit schluckender T2 waren auch nicht viel besser. Wahrscheinlich rettet mich nicht einmal, dass ich bereits seit Jahren kein Auto mehr habe. Keine Ausflüchte! Ich sag, wie es ist. Ich bin es leid auf die Rolle geschoben zu werden. Was nutzt all das individuelle Verhalten eines Bürgers, wenn die Regierungen dieser Welt, zumeist Priester des Neoliberalismus und der Ideologie des Wachstums, keinerlei Einsicht zeigen. Ein nebenberuflich als Pilot arbeitender Bekannter fliegt für seine Pflichtmeilen leere Maschinen in der Gegend herum, schlicht weil die Dinger am Boden mehr Geld kosten, als in der Luft. Überall wo ich hinkomme stehen Kaffee Kapsel Maschinen. Wenn ich an der Bushaltestelle stehe, fährt ein SUV nach dem anderen an mir vorbei. Laufe ich durch die Innenstadt, ist die völlig nutzlos von tausenden Lampen erleuchtet. Die Aktionäre der deutschen Energieriesen verdienen sich an dieser scheinbaren Energiewende dumm und dusslig. Kauft sich eine oder einer ein neues Auto bekommt er vom Staat Geld hinzu, gehe ich in den nächsten Fahrradladen gibt mir niemand etwas. Leute fahren zum Skiurlaub und weil durch den Wandel kein Schnee mehr fällt werden für sie an sieben Tagen der Woche 24 Stunden lang Schneekanonen in Betrieb genommen. Ein paar Stunden von Berlin entfernt steht eine Kunstskihalle. Kleinkram! Mit Korruption, übelsten verbrecherischen Machenschaften, sorgen deutsche Ikonen des deutschen Fußballzirkus für eine Fussball – WM in einem Wüstenstaat. Wann folgt dort die erste Winterolympiade? Damit könnte ich unzählige Zeilen füllen. Ja, es gilt, dass man das eigene Unrecht nicht mit den Missetaten anderer rechtfertigen kann. Ich bin der Überzeugung, dass die paar Flüge meines Lebens etwa dem Effekt entsprechen, den ich mit dem Pinkeln in den Indischen Ozean auf der Insel Langkawi erziele. Mein mich in einer repräsentativen Demokratie vertretender Energieminister, verbraucht allein durch seine Leibesfülle bei einem Flug mindestens 1/3 CO2 mehr als ich. Da hat der noch nicht einmal den Mund aufgemacht und Wachstum gesagt.

Friday for Future

Lesedauer 3 MinutenEine illustre Mischung sammelte sich an jenem Freitag im Invalidenpark unweit vom Naturkundemuseum. Wer hat sich nur diesen seltsamen Platz für eine Demo ausgesucht? Er wirkt mehr wie zugeteilt, damit niemand gestört wird. «Hast Du eine Ahnung, ob die hier nur Antreten oder laufen die zum Kanzleramt?» Meine jüngere Tochter, selbst längst aus der Schule heraus, zuckte mit den Schultern. Also standen wir beide nebeneinander und harrten der Dinge. Am Beginn hatten sich vielleicht 200 Schüler und grob geschätzte 50 Unterstützer versammelt. Großeltern, Eltern oder einfach nur Sympathisanten. «Omas gegen Rechts!» Hielten zwei Frauen ein Pappschild nach oben, «Sag mal haben die das Schild an einem Teppichklopfer fest gemacht?», fragte mich meine Tochter. Ich musste grinsen. «Das nennt man problemlösendes Denken!» Ein paar alte Hippies in ihrer ganzen Farbenpracht hatten sich auch dazu gesellt. So schräg sie auch aussahen, echte Chucks, eine teure NIKON Kamera, Schmuck aus Thailand und Tibet, verrieten den Wohlstand. Einer hielt das Schild «GLOBAL 2000 las ich mit 15.»
«GLOBAL 2000? Ist das schon so lange her?»
«Ja, bin schon ein wenig älter. 1981 oder `82, weiß nicht mehr so genau. Du stammst doch auch noch der Zeit, oder?»
Ich nickte. «Ja, da war mal etwas.»
«Und? Meinst Du, wir müssen uns schämen, weil wir es verbockt haben?»
Kopfschüttelnd antwortete ich: «Nein, Gorleben, Mutlangen, Castor, Wendland, viele von unserer Generation haben eine Menge versucht. Wenn überhaupt haben wir nicht aufgepasst und die Typen mit den Digitaluhren, Aktenkoffer und Lederkrawatte durchkommen lassen. Das war allerdings ein Fehler. Karriere war halt nicht unser Ding.»

Meine Tochter stellte fest: «Die brauchen dringend einen Tontechniker!» Tatsächlich war der Ton mies und die Redner kaum zu verstehen. «Ich habe nichts gegen Motherfucker, aber niemand fickt Mutter Erde!», drang dann doch noch von einem Oberschüler durch die gequälte Box. Grundschüler, Oberschüler aller Altersklassen, mittlerweile an die 600 bildeten einen Pulk.
«Ich hätte ja auch einen Spruch.», sagte ich zur Tochter.
«Und?»
«Wir schwänzen nur die Schule, ihr die Schule des Lebens!»
«Klingt ganz gut.»
«AKK es ist nie zu spät zum Lernen!», reckte eine vielleicht dezent über Sechzigjährige nach oben.
Schulschwänzer? Ich sah nur Demonstranten. Überzeugt und engagiert. Die Aussage kann sich ohne hin nur eine oder einer einfallen lassen, der nichts mehr in seinem verbitterten verkalkten Gehirn hinbekommt. Wer schwänzen will, lässt die anderen demonstrieren und rennt nicht bei 10 Grad mit einem Pappschild in der Gegend herum. Eigentlich bezeichnend, dass Menschen, die offensichtlich lieber schwänzten, statt zu demonstrierten, jetzt mit über Fünfzig auf engagierter Politiker machen.

Am Rande sah ich einen jungen Mann der Flyer für eine App verteilte. Irgendetwas, was man auf sein Smartphone laden kann. Also selbstverständlich nur auf ein IPhone.
«Findest Du das OK, den Scheiß hier zu verteilen?»
«Ja, klar es geht doch um Umwelt
«Kapitalismus hast Du nicht begriffen oder?» Mit einem bösen Blick wandte ich mich ab. Einfach der falsche Ort eine derartige Diskussion zu führen. Die Schmeißfliegen des Kapitalismus. Alles wird zu einem Gut. Selbst der Protest und die Demonstranten werden zu Kunden.
«Kommt alle, nächsten Freitag kommt Greta. Wir machen das solange, bis jemand mit uns redet.» Sie werden nicht kommen. Jedenfalls nicht auf die Straße, da können sie nur verlieren. Das Format der sechziger Jahre, wo sie sich stundenlange Wortgefechte mit den Studenten lieferten, haben sie heute nicht mehr.
«Blöder Personenkult!», sagte ich zum Typen neben mir.
«Na ja, wenn es hilft?»
«Schon, aber das macht angreifbar. Es geht um die Sache! Diese Affen werden sich darauf als erstes stürzen. Das kennen sie, einem Leitaffen hinterherrennen, machen sie schon ihr ganzes Leben, bis der auf einer Banane ausrutscht und sie den Leitaffen ablösen können. Na, wir werden sehen.»

Nach zwei Stunden der Abbruch und Rückweg zum Bahnhof. An der Ampel stehend rollte die Blechlawine vorbei. In jedem Auto nur eine Fahrerin oder ein Fahrer. Die Abgase standen neben dem Stau. Ich drehte mir eine Zigarette. «Ist Dir was aufgefallen? Da hättest Du keinen um eine fertige Zigarette bitten können. Die da waren erfüllten alle das Klischee des Selbstdrehers.»
Meine Tochter lachte. «Stimmt!»
Ich schaute wieder auf den Verkehr. Das wird nichts werden, es mag einen Versuch wert sein, aber sie sind zu blöd. Neben uns lief eine Gruppe Pubertierender dumm im «Kanack» miteinander redend an der roten Ampel auf.
Meine Tochter schaute sie skeptisch an. «Manchmal frage ich mich, ob es wirklich eine gute Idee ist, für das Überleben zu kämpfen.»

Bisweilen liegen wir nicht weit auseinander. Alles in allem eine nette Demonstration mit deutlich Potenzial nach oben. Zu leise, zu brav, zu zurückhaltend unter Beobachtung des Staats. Eine Frage an meinen alten Arbeitgeber. Ein BeDo – Trupp bei einer harmlosen Schülerdemo? Die Direktion Einsatz mit Patches wie ein Pfingsochse und lauter Gebamsel am Einsatzanzug und Weste? Zwei Funkwagen und das stinknormale Ehrenkleid mit Mütze hätten es auch getan und einen besseren Eindruck hinterlassen. Da demonstriert die Zukunft und wir prägen sie mit.

Alte Zöpfe …

Lesedauer 7 Minuten

Friedrich Wilhelm I. verfügte am 28. September 1717, dass Kinder zur Schule gehen können.

„ … Wir vernehmen missfällig, dass die Eltern, absonderlich auf dem Lande, in Schickung ihrer Kinder zur Schule sich sehr säumig erzeigen. Und dadurch die arme Jugend in große Unwissenheit, was das Lesen, Schreiben und Rechnen betrifft, aufwachsen lassen.“

und weiter:

„ … dass hinkünftig an denen Orten, wo Schulen sein, die Eltern bei nachdrücklicher Straffe gehalten sein sollen, ihre Kinder im Winter täglich und im Sommer, wann die Eltern die Kinder bei ihrer Wirtschaft benötigt sein, zum wenigsten ein- oder zweimal die Woche in die Schule zu schicken.“

Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/einfuehrung-der-schulpflicht-in-preussen-zur-bildung-guter.871.de.html?dram:article_id=396893

Es ging also darum, den Eltern auf die Finger zu klopfen, dass Sie gefälligst die Kinder zur Schule gehen lassen sollen. Pflicht bezieht sich demnach auf die Eltern und für die Kinder ergibt sich daraus ein Recht. Zu dieser Zeit waren Kindern entweder familiäre Arbeitskräfte und später in der Industrie billige Arbeitskräfte bzw. unter Tage, aufgrund der Körpergröße gern genommene Werkzeuge. Und der Staat verpflichtete sich dazu, die passenden Möglichkeiten zu schaffen.

Zur Schule zu gehen ist damit in erster Linie ein Recht neben anderen Rechten. Wir unterstellen Kindern grundsätzlich ein nicht vorhandenes Bewusstsein dafür, was passiert, wenn sie nicht zur Schule gehen, deshalb haben wir ein Auge darauf. Das ist soweit auch vollkommen richtig.

Zu meiner Schulzeit, damals in der Rolle eines stellvertretenden Schulsprechers, organisierte ich zusammen mit anderen einen Schulstreik. Ich war jung und dachte nicht nach. Hätte ich nachgedacht, würde ich damals eine andere Formulierung gefunden haben. Nämlich: Wir haben unsere Rechte gegenüber gestellt und beschlossen, dass das Eintreten für unsere Zukunft, in dem wir gegen den NATO – Doppelbeschluss und die russischen SS20 Raketen demonstrieren, damit endlich die Gefahr eines atomaren Krieges gebannt wird, schwerwiegender ist. Kommt – beidseitig – endlich zur Vernunft.

Das Wort «Streik» ist fehl am Platz. Streiken ist ein Arbeitskampfmittel gegen Unternehmer. Es schädigt diesen und führt im Idealfall zum Einlenken. Wen sollte der Schüler mit seiner Abwesenheit vom Unterricht schädigen? Insofern ist das Wort «Schulstreik» sinnlos.

Was erreichten wir? Objektiv nichts! Das konnte vorher niemand wissen, war aber auch nicht zwingend Sinn und Zweck. Die Leute in der Politik sollten daran erinnert werden: Über Euer Dasein hinaus gibt es Menschen, die mit Euren Entscheidungen leben müssen, nämlich wir dort auf Straße.
Ähnliches passiert heute wieder, mit den gleichen Fehlern. Wieder wird von einem Schulstreik gesprochen und erneut wird der Begriff Schulpflicht falsch verstanden. Wobei meiner Auffassung nach, die unglückliche Wortwahl Schulstreik zu vernachlässigen ist, während das Missverständnis in Sachen Schulpflicht eine andere Denkrichtung eröffnet.

Schule ist kein Selbstzweck. Dort sollen Schülern mehrere Dinge vermittelt werden. Zum einen ein gewisses Grundwissen. Sprachen, Mathematik, Physik, Erdkunde, kulturelles Wissen gehören dazu. Darüber hinaus Geschichtswissen, wie unser Staat und Gesellschaft funktioniert und sie sollen eine Sozialisation zum mündigen Staatsbürger erhalten. Eine Demonstration, sich zeigen und die Überzeugung auf der Straße kundzutun, ist ein Kernbestandteil unseres Staatssystems. Der Kritiker mag sagen: Ja, aber nicht während der Schulzeit. Nun, die Wahl der Zeit verfolgt ein Ziel. Mal ganz davon abgesehen, dass es kaum einen besseren Unterricht geben kann, denn das eigene Erleben. Das Fernbleiben vom Schulgebäude soll Aufmerksamkeit erzeugen, Signale setzen und Diskussionen auslösen.

Einigen gefällt das nicht – Ziel erreicht! Über lange Zeit wurde von einigen kritisiert, dass sich junge Leute nicht mehr politisch engagieren. Manch einer mag darüber auch dankbar gewesen sein. Interessanterweise ist mit der Forderung nach dem politischen Engagement häufig verbunden, wie das stattzufinden hat. In geregelten Bahnen, brav, unauffällig und über die innerparteilichen Instanzen. Das könnte einigen gut in den Kram passen, dann könnten sie es nämlich kontrollieren und kanalisieren. So funktioniert das aber nicht!


Nach 1945 haben wir in Deutschland unsere Erfahrungen mit der repräsentativen Demokratie gemacht. Manches hat sich gut entwickelt, einiges weniger gut. Unterschiedliche Faktoren haben dazu geführt, dass eine politische Klasse entstanden ist, die sich verselbstständigt hat. Die Funktion Politiker wurde zum Lebensberuf. Häufig kommt es dazu, dass Leute von der Schule aus zur Universität gehen, einen einschlägigen Studiengang belegen – BWL, VWL, Jura, Soziologie – und auf dem direkten in die Politik gehen, in dem sie sich in der Hierarchie einer Partei nach oben arbeiten. Das gelingt ihnen deshalb, weil sie im Studium die für viele andere Berufe schwer zu durchschauenden komplizierten Mechanismen einer Partei durchschauen und für sich benutzen können. Eine politische Idee oder Vorstellung zu haben ist eins, sie im deutschen «Über» – Regelwerk an den Start zu bekommen ist ein rückwärts eingesprungener Rittberger und nachfolgenden Salto vorwärts. Dafür haben «Verwaltungsmenschen» in einer durch und durch verwalteten Gesellschaft in Jahrzehnten gesorgt. Das verschafft der zweiten Hauptgruppe unter den Berufspolitikern, nämlich den Beamten, zumeist aus dem Höheren Dienst, entscheidende Vorteile. Mit dem realen Leben, z.B. in einem mittelständischen Handwerksbetrieb, hat das alles nichts mehr zu tun. Beamte, Juristen, Kaufleute (die niemals in diesem Sinne gearbeitet haben), leben erfahrungsgemäß in einer sogenannten Papierlage, die sie für die Realität halten. Außerdem haben diese Menschen, wie man heutzutage sagt, eine Kernkompetenz. Die Durchsetzungsfähigkeit in einer Hierarchie, welche mit institutionellen Autoritätsverhältnissen arbeitet, die selten etwas mit natürlicher menschlicher und über Jahre hinweg, gewachsener Autorität zu tun hat.

Vor diesem Hintergrund mag der aktuelle Schülerprotest gegen die politischen desaströsen Eskapaden in der Klima – Politik, eines der wichtigsten Themen überhaupt, naiv und hilflos erscheinen. Aber er ist direkt und einfach: Was auch immer Ihr da erzählt, es ist schwachsinnig, denn wir messen Euch Politiker an den Ergebnissen. Für mich bei diversen politischen Themen eine sehr einfache aber durchaus wirkungsvolle Betrachtungsweise. Ich muss als Bürger nicht zwingend verstehen, warum und wieso etwas nicht funktioniert, wenn ich sehe, dass das was am Ende heraus kommt, Schrott ist.


Ich finde, es verhält sich wie bei einer Produktionsmaschine. Ich will etwas herstellen und hole mir ein paar Ingenieure und Kreative herbei, die mir eine passende Maschine bauen sollen. Sie machen sich ans Werk und eines Tages produziert sie. Jetzt sehe ich mir das Produkt an. Wenn es unbrauchbar ist, eventuell sogar gefährlich, ist etwas schief gelaufen. Dafür muss ich nicht das Innere der Maschine verstehen, dafür habe ich meine Ingenieure, die behaupten solche Maschinen konstruieren zu können. Allerdings muss ich mich auch selbst prüfen, ob mein gewünschtes Produkt an sich sinnvoll ist.

Wir wollen globale Veränderungen, in Bezug auf das Klima, Müll, Umwelt, Artenschutz, bessere Verteilung der Ressourcen, Bekämpfung der Armut, Hunger und vor allem keine Kriege. Das ist unser gewünschtes Produkt. Konstruiert und erbaut wurde uns eine Maschine, die dauerhaft unbrauchbaren Ausschuss produziert. Die Schüler sehen das ziemlich klar und ohne all die Brillen, die Ältere auf der Nase haben. «Es ist uns ziemlich egal, warum die Maschine nicht funktioniert, wir wissen nichts über den inneren Aufbau, aber das Produkt zerstört unsere Zukunft – tut etwas dagegen. Wir sind noch nicht so weit, würden aber ganz gern eine Chance haben.» Diese Forderung finde ich verständlich und in Anbetracht der uns bekannten Zahlen auf diesen Gebieten auch durchaus begründet.

Jetzt gibt aber einige der älteren Generation, die sich brüskiert zeigen. Ich vermute, mehrheitlich sind es die, welche auch damals nicht dabei waren. In Betrieben gibt es immer mal wieder Konstrukteure, die aus lauter Eitelkeit sagen: «Wieso? Das Ergebnis sieht doch ganz gut aus, ein paar kleinere Verbesserungen und es sieht doch gut aus.» Da bedarf es dann einiger Vernünftiger die auf dem Tisch hauen. «Klappe halten! Das ist Schrott und ein Blinder mit Krückstock kann es erkennen. Mach was Du Idiot oder wir haben hier ein Problem. Wenn die Produktion so weiter läuft, fliegt uns der Laden hier um die Ohren.» Ich denke, einige haben auch ein ausgewachsenes Problem damit, die Fehler im Denken und bei der Vorgehensweise einzugestehen. Es würde nämlich bedeuten, dass ihre Lebensleistung in Frage gestellt wird. Dabei ist es simpel. Fehler müssen passieren, damit man herausbekommt, wie man es nicht machen sollte. Aber mit diesem Ergebnis muss man arbeiten und nicht immer weiter machen.

Wie auch immer Greta Thunberg einzuordnen ist. Tausende Schüler sind ihr gefolgt und der Reflex der älteren Unverbesserlichen ist langweilig, vorhersehbar und einige tausend Jahre alt.

„Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte“


Keller, 1989, ca. 3000 v. Chr., Tontafel der Sumerer

Wir reden immer gern davon, dass die Menschheit, zumindest in Europa, sich weiterentwickelt hat, dass Mittelalter, die Monarchie und die Barbarei hinter sich gelassen hat. Mir kommen nicht nur Zweifel, sondern bisweilen gehe ich von Gewissheit aus, dass dieses nicht der Fall ist.

In meiner Jugend sagten Ältere gern zu mir: «Du musst auch mal auf Ältere hören und ihre Erfahrungen respektieren.» Ich ahnte damals schon, dass die Sache hat einen Haken. Die hatten ihre eigenen Erfahrungen, in ihrer Zeit und vor dem Hintergrund der zurückliegenden Ereignisse. Heute bin ich einer der Älteren und blicke auf meine Erfahrungen zurück. Wie gesagt, wir erreichten damals nichts. Aber das bedeutet nicht, dass die Neuen keinen Erfolg haben können. Eine neue Zeit, ein anderes Problem, eine andere Gesellschaft, keiner kann diesbezüglich Prognosen treffen. Versucht es! Wir werden sehen, was sich daraus entwickelt. Die Älteren sagten auch zu mir: «Du musst auch mal eine Sache zu Ende bringen!», genau so, wie sie die Erziehung junger Männer zu disziplinierten Mitgliedern der Gesellschaft via Bundeswehr favorisierten. Nebenbei eine sehr seltsame Logik, damals gab es keine Frauen beim Bund. Waren die damit alle undiszipliniert? Egal, dieses nur als Beispiel überkommener Traditionen. Das sind alles Durchhalteparolen, die den Menschen in einer ihm feindlich gesonnenen Umwelt überlebensfähig machen sollen.

Wir sollen was wir angefangen haben auch zu Ende bringen. Dann können wir angeblich zurückschauen und uns auf die Schulter klopfen, dass wir etwas erreicht haben und daraus eine Selbstbestätigung ableiten. Ich persönlich wäre nachträglich dankbar, wenn ein paar Leute in der Geschichte mal darüber nachgedacht hätten, was sie da angefangen haben, ihren Stolz und Wunsch nach Selbstbestätigung überwindet und es nicht zu Ende gebracht hätten. Das ist für mich echte Größe. Trotz erheblicher Investitionen die Erkenntnis zuzulassen: Das war eine extrem blöde Idee von mir. Selbstbestätigung kann der Mensch auch anders erlangen.

Auch dies ist die Botschaft der Schüler: Ihr habt da ein paar Sachen in Gang gesetzt, die ihr besser nicht zu Ende bringen solltet. Wir benötigen im 21. Jahrhundert neue Ansätze und keine, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert haben, zwei Weltkriege, eine kaputte Gesellschaft, die Zerstörung der Umwelt und den Klimawandel, wenigstens begünstigten. Insofern liebe Schüler wünsche ich Euch viel Glück und denen die auf häuslichen Widerstand treffen, viel Kraft und Stärke, dass gehört bei Protest immer dazu. Es ist nicht zu erwarten, dass diejenigen, gegen die man protestiert, vor Freude in die Hände klatschen.

Und lasst Euch nicht beirren von ihm Kopf verkalkten Kommentatoren, die Euch einen Flug, ein Smartphone oder Euren Konsum vorwerfen. Das ist in vielerlei Hinsicht grotesk und gibt mehr Auskunft über die, denn es echte Kritik an Euch ist. Erstens haben sie die Voraussetzungen dafür geschaffen und die Gesellschaft geformt, in der ihr dieses Konsumverhalten erlernt habt. Zweitens setzt ihr diese Dinge ausnahmsweise mal nutzbringend ein. Alles was ihr jetzt benutzt, wurde in dem System produziert, was Ihr jetzt kritisiert. Ihr müsst Euch nur darüber klar sein, das Forderungen auch Folgen haben können und eine Gesellschaft dann deutlich anders aussehen wird.