Die infantile Illusion des Wohlstands

Lesedauer 10 Minuten

“Ick kann janich so viel fressen, wie ick kotzen möchte!”

Max Liebermann

Zum oben genannten Zitat gibt es verschiedene Entstehungsgeschichten. In einigen soll es der Maler gesagt haben, als er vom Balkon aus einen Fackelmarsch der SA beobachtete, in anderen sagte er dies zu Käthe Kollwitz. Sehe ich die aktuellen Demonstrationen, längst an der Spitze angeführt von Hooligans, die “Bock” auf einen Kampf mit der Polizei haben und Kampfgruppen der rechten Szene, geht es mir ähnlich. Frauen und Männer, die sich der Leute bedienen und aufgrund einer Schwäche der Republik ins Parlament gelangten, machen es nicht besser. Doch richtig ekelhaft wird es, wenn Leute aus Parteien, denen traditionell eine Verfassungstreue unterstellt wird, die Geschehnisse für ihr Ziel benutzen, Deutschland wieder in die alten konservativen, autoritären, Strukturen, zurückzuführen. Ich fühle mich bei denen unangenehm an eine Zeit erinnert, in der ausländische Milliardäre, deutsche Stahl – Barone und Industrielle aus der Chemiebranche, mittels Zahlungen ihre Günstlinge in Stellung brachten. Doch gleichzeitig habe ich mir vorgenommen, mich vom Geschehen nicht treiben zu lassen, sondern auf die Suche zu gehen, warum alles ist, wie es ist. Mir persönlich hilft es, wenn ich verstehen und nachvollziehen kann. Wenn man die Folgen von Verbrechen sieht, besonders wenn sie Kinder betreffen, gibt es im Kopf eine verzweifelte Frage: Warum? Erklärungen sind keine Rechtfertigung oder Relativierung, sondern entsprechen dem Bedürfnis des Großhirns aus allem eine nachvollziehbare Erzählung zu stricken. Darum soll es hier gehen! Was passiert meiner Auffassung nach gerade.


Wir befinden uns täglich in verschiedenen inneren Zuständen und wechseln diese je nach Einwirkung innerhalb von Sekundenbruchteilen. Vom Lebensalter her als Erwachsene einzuschätzende Menschen verhalten sich mal rational, vernünftig und verständig, während sie im nächsten Augenblick infantil, bockig oder pubertär wirken. Einige Psychologen sehen die Begründung in der Wechselwirkung zwischen zwei Personen. Tritt beispielsweise eine Person gegenüber einer anderen mit einem paternalistischen Gebaren auf, landet die andere schnell in einem kindlichen Zustand und wird sich auch entsprechend verhalten. Andererseits kann sich eine/r kindlich, hilflos präsentieren und damit das Eltern – ICH auf der anderen Seite erwecken.

Mir begegnete diese Herangehensweise an einige psychologische Phänomene vor etwa 25 Jahren. Bis zum Streit wirkt sie banal, doch nach einem Streit, denkt man häufig: “Verdammt, da ist etwas dran!” Seither habe ich mich unzählige Male gefragt: “Moment, in welchem Zustand befinde ich mich gerade?” Oftmals musste ich einräumen, dass da ein wütendes, bockiges Kind agierte. Warum auch nicht? Wenn es um nichts Existenzielles oder wenigstens ansatzweise wichtiges geht, kann man sich das leisten. Entscheidend ist das Erkennen und die Option auf andere Zustände umschalten zu können. Besonders, wenn einem etwas grundlegend falsch kommuniziert wird, aber deshalb noch lange nicht inhaltlich verkehrt sein muss. Es ist unklug, bockig in ein Minenfeld zu laufen, nur weil einem ein Posten eine unfreundliche autoritäre Ansage machte. Ja, er hätte es anders sagen können, aber das interessiert die Mine nicht, so wie ich und nicht der Posten sterben wird. Das Beispiel klingt etwas drastisch, doch es ist nicht allzu realitätsfern. Wenn die Polizei wegen eines Bombenfunds ein Gebiet absperrt, passiert dies häufig. “Ich möchte da nur schnell mit meinem Fahrrad durchfahren! Lassen sie mich gefälligst durch.”

Gut, die Bombe hat es seit dem Krieg nicht notwendig erachtet hochzugehen. Dies verleitet zur Annahme, dass sie es weitere 10 Minuten nicht tun wird. Tatsächlich ist es ein Gedankenfehler. Seit sie dort landete, hätte sie es jederzeit tun können und in jeder Minute war die Wahrscheinlichkeit gleich hoch. Eine Nachschau könnte technische Details zeigen, die eine Explosion verhinderten, doch davon weiß erstmal niemand etwas. All dieses zu verdrängen, ist nicht rational und damit auch nicht das, was wir unter einem erwachsenen Denken verstehen.


Verhielten sich alle Erwachsenen vernünftig und verständig, könnten wir den Hauptteil aller bestehenden Regeln und Gesetze streichen. Jeder weiß, dass dies nicht der Fall ist, also wurden schon im Altertum Gesetze erlassen. Eine an sich spannende Sache. Immer und überall bestand ein Bewusstsein dafür, dass der Mensch es zwar besser weiß, aber nicht danach handelt. Bei uns werden häufig die Leistungen des Großhirns vollständig umgangen. Es gilt: Was nicht in einem Gesetz explizit verboten wurde, ist erlaubt und wird auch gemacht. Erlaubt ist ein logisches Gegenteil von verboten, aber ob ich etwas mache, sollte nach anderen Kriterien entschieden werden. Im Alltagsleben ist dies kaum ein Thema. Anders sieht es aus, wenn es um Wirtschaft und Produktionsverfahren geht. Obwohl genau erkennbar ist, dass andere geschädigt werden oder massiv zerstörerisch in die Lebensgrundlagen eingegriffen wird, lautet die Frage einzig: Ist es irgendwo verboten? Nein? Dann tun wir es. Da helfen nicht noch mehr Regeln, sondern nur ein Umdenken.

Ich sehe Deutschland als ein überreguliertes Land. Dies ist ein Zustand, der sich aus einem langen Prozess ergeben hat. Hinzu kommt ein meiner Auffassung der beschriebene problematische Umgang mit den Regeln. An sich sind sie richtig angewandt etwas Zweckmäßiges. Jedes komplexes System benötigt sie. In einem Motor oder einem Computer müssen mehrere Komponenten mit speziellen Aufgaben kommunizieren und nach Regeln zusammenspielen, damit sie ihre bestimmungsgemäßen Ergebnisse produzieren können. Gleichermaßen sieht es mit Spielen aus. In ihnen gibt es Spieler mit Rollenzuweisungen, die unter Beachtung von Regeln miteinander agieren. Spontan denkt man dabei an Spiele wie beim Sport oder Gesellschaftsspiele. Doch bei genauerer Betrachtung spielen wir täglich mit anderen Zeitgenossen Spiele mit immer wiederkehrenden Abläufen.


Wo sehe ich die Probleme? Wenn beim Fußball ein Schiedsrichter nicht mit Augenmaß und Spielverstand jeden minimalen Regelverstoß pfeift, wird aus dem Spiel nichts. Ebenfalls schwierig wird es, wenn Menschen zu viele Entscheidungen mittels irgendwann festgelegter Regeln abgenommen oder vorgegeben werden. Noch die geringste Folge ist der Verlust der Kreativität. In Behörden ist nahezu alles vorgegeben, besonders wenn es um die Verwaltung und die Schriftsätze geht. Zeilenabstand, Schrifttyp, Position der Absätze, Grußformeln und wann etwas zu verfassen ist, werden nicht den Verfassern überlassen, sondern haben sich an Vorschriften zu orientieren. Das Ergebnis sind oftmals sperrige, unverständliche und vor allem überflüssige Vermerke, Berichte, interne Rundschreiben. Im Alltag ist das hinzunehmen, doch wenn es darum geht, komplizierte Themen abzuhandeln, wird es schwierig. Deshalb scheren Sachbearbeiter/innen immer mal wieder aus, was dann regelmäßig einen Rüffel von weiter oben nach sich zieht. Im Verlauf von Jahrzehnten werden Menschen in solchen überregulierten Systemen sozialisiert. Die Regeln werden zu etwas diktatorischen. Das eigene Denken schwindet und die Regeln werden zu einem Selbstzweck, während ihre ursprüngliche Intention und der Vorgang, welcher einst zur Aufstellung führte, völlig in den Hintergrund gerät. Im Zuge dessen passiert noch etwas anderes. Regeln, deren Sinn wir nicht verstehen oder nicht verstehen wollen, kennen wir aus der Kindheit. Einst lernten wir, dass das Befolgen einerseits bequem ist und gleichzeitig Ärger vermeidet. Doch wir ließen es uns nicht nehmen, wenn es auch unvernünftig und jenseits allen Verstandes war, sie zu brechen. Allerdings hatte es auch Vorteile, sich unliebsame Entscheidungen von den Eltern abnehmen zu lassen. Immerhin konnte man dann den Misserfolg ihnen aufbürden und musste sich nicht selbst Fragen stellen.


Bei einigen Mitmenschen scheint sich dieser infantile Zustand manifestiert zu haben. Egal wie gut oder schlecht in der aktuell herrschenden Pandemie die Lage und das Regelwerk zur Abwehr der Gefahren kommuniziert wurde, kommt keiner an der Existenz eines Virus vorbei. Ebenfalls nicht am Umstand, dass man mit Viren weder verhandeln noch diskutieren kann. Gleiches gilt für die Prozesse rund um das Klimageschehen.
Ich gehe auch davon aus, dass bei der Mehrheit der Erwachsenen ein Verständnis für die Logik besteht, der nach ein/e Einzelner für sich selbst mittels der ihr/ihm bekannten Informationen eine Risikobewertung vornehmen kann, hingegen bei einer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, auf eine Koordination der Gruppenmitglieder angewiesen ist. Jede Dorfgemeinschaft funktionierte früher danach. Der Schmied hat nichts gewonnen, wenn es seinem Holzlieferanten oder dem Müller schlecht geht. Im Prinzip begann die Pandemie mit einer ambitionierten optimistischen Hoffnung. Böse treffen würde es “nur” Schwächere, bereits Kranke und Alte. Weniger nett formuliert, könnte man es als die Arroganz der Leistungsgesellschaft sehen, dass alle “Starken” lediglich einen Schnupfen bekämen. Davon sind wir mittlerweile weit entfernt. Augenscheinlich scheinen die Mediziner im Dunkeln zu tappen, wer denn de facto anfällig für einen schweren Verlauf ist. Die Überlebenschancen steigen, wenn man bei einer Hospitalisierung kräftig ist, das ist aber auch alles. Was wir wissen ist die Wahrscheinlichkeit, geimpft einem schweren Verlauf zu entkommen.

Es erscheint legitim, wenn jemand dieses Risiko eines schweren Verlaufs auf sich nimmt. Doch dann bitte in der Tradition des Mittelalters. Zurückziehen und irgendwo isoliert sterben. Anderen, die aus welchen Gründen auch immer eine intensive medizinische Behandlung benötigen und sie in Anspruch nehmen wollen, den Platz wegzunehmen, scheidet dann aus. Neuerdings wird auf die Situation von Zeitgenossen/innen hingewiesen, die rauchen, übergewichtig sind oder Extremsportarten betreiben. Ganz ohne kognitive Dissonanz meinerseits ist dabei ein wenig differenzieren angesagt. Die Angesprochenen schädigen sich nicht erst seit gestern und zumeist bereits lange Jahre vor der Pandemie und darauf haben wir uns eingestellt. Seuchen nehmen eine Sonderstellung ein. Corona ist eine unter vielen. Weltweit wütet immer noch die Cholera, immer mal wieder meldet sich die Pest zurück, die Syphilis, Aids, Lepra, Ebola, usw. Andere, teilweise noch unerforschte befinden sich in Lauerstellung. Ich schätze, ganz werden wir weltweit Corona nicht mehr loswerden. Die 7. Pandemie der Cholera dauert seit 1961! an. Es läuft also immer auf ein Eindämmen, Zurückdrängen und rechtzeitige Reaktionen hinaus. Hierfür sind Maßnahmen erforderlich, die Opfer verschiedener Art fordern.


Es fällt auf, dass Anhänger und Aktive der AfD, sich immer zu Wort melden, wenn es unlogisch wird oder es gilt komplexe Sachverhalte wenigstens ansatzweise nachzuvollziehen. Aktuell wettern sie gegen die Maßnahmen zur Pandemie – Bekämpfung, weil die Zahlen sinken würden und wieder Bettenkapazitäten beständen. Dabei ist es nicht einmal sonderlich kompliziert. Man stelle sich ein defektes Wasserohr vor, welches man notdürftig mit Isolierband geflickt hat. Es wird immer noch ein wenig lecken, aber eben nicht heraussprudeln und alles unter Wasser setzen. Jetzt besteht Zeit eine passende Schelle zu organisieren, ein neues Rohr vorzubereiten und vor allem auf die Suche nach dem Absperrhahn zu gehen. Wenn nicht ein Depp von der AfD vorbeikommt, der das Klebeband abmacht. Nun sind aber bei der AfD nicht nur Deppen unterwegs. Also stellt sich die Frage, warum sie diesen Unsinn verbreiten. Ich denke, sie kalkulieren die Schäden ein. Sie bedienen das Infantile und wiegeln gegen die bestehende Autorität auf. “Mama und Papa sind doof! Die verbieten Dir immer nur alles. Schau mal, ich habe tolles Spielzeug im Auto, Du kannst mir vertrauen, ICH, gebe Dir alles, was Du willst.”

Damit dies funktioniert, benötige ich Kinder, die darauf hereinfallen, sich ködern lassen, die Verbote der Eltern nicht nachvollziehen können, vielleicht weil es nicht gut erklärt wurde, die Gefahr, welche vom lockenden Täter ausgeht, nicht erkennen und anfällig für das Lockmittel sind.


Mit allem im Überfluss ausgestattete Wohlstandsgesellschaften verlieren augenscheinlich irgendwann den Bodenkontakt. Essen, gern auch mit allen Raffinessen, Trinken, sauberes Trinkwasser, selbst zum Wegspülen von Fäkalien oder Körperhygiene, wohltemperierte Behausungen, eine all umsorgende Gesellschaft, die den Einzelnen in jeder Lebenslage auffängt, die Übertragung jeglicher Verantwortung an staatliche Institutionen, teilweise sogar das Abnehmen von Denken, sowie die Abwehr aller nur erdenklichen Gefahren durch eigens hierfür bezahlte Sicherheitskräfte und deren Entscheider, werden zur absoluten Selbstverständlichkeit. Ein indischer Wanderarbeiter muss in einer Pandemie völlig andere Bewertungen und Entscheidungen vornehmen. Medizinische Versorgung ist bei ihm ein Glücksfall. Corona ist neben Verhungern, Katastrophen, anderen Seuchen, wie die Cholera, eine zusätzliche Bedrohung. Eindämmende Maßnahmen, können den sicheren Tod bedeuten, während Corona möglicherweise das Leben beendet. Streetkitchen – Besitzer, sind auf ihre komplette Familie angewiesen. Da kann nicht mal eben die gesamte Familie in Quarantäne gehen, weil eins der Kinder erkrankt ist. Ähnlich sieht es bei Leuten aus, die in abgelegenen Gegenden leben, wie zum Beispiel auf Inseln im hohen Norden Skandinaviens. Ein Corona – Ausbruch wäre eine Katastrophe, besonders wenn es keinerlei Schutz gegen einen schweren Verlauf gibt. Dort gibt es keinerlei Diskussionen, wenn die Chance auf eine Impfung besteht. Leugner der Pandemie, Impfskeptiker oder Verweigerer, die Propagandisten des Profits und Wirtschaftswachstums auf Kosten der Sterbenden, sind in erster Linie ein Problem der satten Wohlstandsgesellschaften.

Mitglieder von Wohlstandsgesellschaften leben in einer Illusion. Sie glauben sich freikaufen zu können. Alles Böse und Schlechte findet irgendwo anders statt. Die unerfreulichen Sachen, sind entweder die Fehler von Institutionen, die Machenschaften dunkler Mächte im Hintergrund oder wenn es gar nicht anders geht, das Unvermögen der Betroffenen. Seuchen, Naturkatastrophen alter Art oder neue Szenarien, die vom hausgemachten Klimawandel und Massensterben der das biologische System tragenden Arten, passen nicht ins Konzept. Hierzu müsste zu viel infrage gestellt werden. Fragen, die sich auf Zeiten vor dem Wohlstand beziehen.


Nach und nach schwindet die Illusion und es zeigt sich die Verletzlichkeit. Dies kommt einer Demütigung gleich. Jahrzehntelang wurde den Menschen etwas anderes vorgegaukelt. Versicherungen suggerierten, dass man gegen die Zahlung eines monatlichen Betrags alles abfangen könne. Politiker und Politikerinnen traten vor die Mikrofone, warfen alles Negative den gerade Regierenden vor und behaupteten, sie würden alles, bis hin zum Ausbruch eines Vulkans oder Erdbeben verhindern können, wenn man sie nur wählte. Selbst Philosophen und Naturwissenschaftler propagieren eine Zukunft, in der alles mittels Technik, medizinischen Fortschritt, weiteren Wissen, gelöst werden kann. Selbstverständlich bräuchte man hierfür jede Menge Geld, doch dies würde sich quasi durch die Technik selbst ergeben.

Was wäre, wenn es sich völlig anders verhält? Alles unterliegt einer Wechselwirkung. Ich kann nichts tun, ohne dass eine Wirkung bzw. Veränderung, Reaktion, erfolgt. Die Wechselwirkungen auf dem Planeten sind derart komplex, dass der Mensch sie vermutlich niemals vollständig erfassen kann. Selbst wenn wir die Momentaufnahme aller Prozesse verständen, wäre das nächste Problem das Nachvollziehen aller Folgen, die durch eine einzige minimale Veränderung entstehen. Eins haben wir bei den Prozessen mittlerweile verstanden. Das globale System strebt seit der Stunde Null ein Gleichgewicht an. Selbst nach Phasen des Chaos findet es sich immer wieder in ein stabiles Gleichgewicht ein.

Auf der Erde existieren diverse Missverhältnisse, die sich stetig weiter von einem Gleichgewicht entfernen. Früher, in den ausgehenden 60ern sahen einige Philosophen eine Zukunft, in der nach und nach die Unterschiede wenigstens auf ein akzeptables Maß reduziert würden (u.a. Adorno, Marcuse, Horkheimer). Als größte Gefahr machten sie einen Atomkrieg aus. Diese Prognose hat sich nicht bestätigt. Sie übersahen die negativen Auswirkungen der Industrialisierung, welche sich heute im Wandel des Klimas und Zerstörung der Lebensgrundlagen bis zum Armageddon (Zitat: Mark Benecke) aller neben dem Menschen existierenden Lebewesen, zeigen. Die nördliche Hemisphäre steht in einem krassen Gegensatz zum Süden und der Äquatorlinie. Der jetzt bestehende Wohlstand könnte das absolute Maximum des Möglichen sein und zum Zenit werden. Wie bei einem hochgeschossenen Ball, der irgendwann dem Reibungswiderstand und der Schwerkraft nicht mehr trotzen kann und herunterfällt. Dies könnte bedeuten, dass die Wohlstandsgesellschaften fallen, während die anderen einen Aufstieg erfahren und sich alle im günstigen Fall auf einem Gleichgewicht einfinden. Vorausgesetzt, es kommt nicht zu schwerwiegenden Ereignissen, die alle gemeinsam in den Abgrund reißen. Denn zum Gleichgewicht gehören auch alle anderen Lebewesen und Gegebenheiten des bisher einzigen bekannten belebten Planeten. Es wird noch andere geben, aber die kennen wir halt nicht.

Wie auch immer, ich persönlich schließe mich denen an, die von einem Zenit und einem bereits begonnenen langsamen Abstieg ausgehen. (Dafür sprechen z.B. Untersuchungen bezüglich eines seit den 70ern sinkenden Durchschnitts – IQ. Bitter amüsant ist hierbei, dass sich die Forscher wieder einmal zur Aussage “Menschheit” hinreißen lassen. Ihnen dürfte Vergleichsmaterial von z.B. indigenen Völkern fehlen.) Das aktuelle Geschehen entspricht einem Abstiegskampf. Kleine Kinder stampfen empört mit den Füßen auf, weil sie glauben, jemand nähme ihnen den Lutscher weg. Doch dieser Jemand existiert genauer betrachtet nicht. Das übergeordnete Lebenssystem des Planeten beginnt zu wirken. Viren, Bakterien, Anstieg des Meeresspiegels, Süßwasserverknappungen, Überschwemmungen, entfesselte Stürme, hieraus resultierende Änderungen der Bevölkerungsverteilung, sind zwingende unaufhaltsame Folgen, denen wir wenig entgegensetzen zu haben. Diesbezüglich haben wir uns, die Mitglieder von im Überfluss lebender Wohlstandsgesellschaften überschätzt. Man könnte dies knurrend anerkennen und sich fügen. Gemeinsam mit allen anderen gelte es dann vernünftige und verständige globale Lösungen zu finden. Oder sie greifen zur Alternative, was ich für wahrscheinlich halte, in dem sie sich mit Waffen gegenseitig töten. Wie das ausgeht, kennt jeder vom Buddelkasten. Eine oder einer fängt an, die Sandkuchen der anderen kaputtzumachen und alle gehen am Ende heulend nach Hause. Dies wird alles noch ein wenig dauern. Doch die Anfänge sehen wir bereits auf unseren Straßen und mit dem Erstarken der Erz – Konservativen, religiösen Fanatikern und der Neuen Rechten, die geschichtlich immer eine Folge von Demütigungen, Untergang und verletzten Stolz waren.

Der eine Ring …

Lesedauer 4 Minuten

Irgendeiner hat mal gesagt, dass sich Geschichte nicht wiederholt. Wahrscheinlich war es im Sinne eines zeitlichen Ablauf gemeint. Was wäre, wenn man in anderen Einheiten denkt. In zeitlichen Epochen?

Mit Beginn der Industrialisierung entstanden neue Gesellschaftsmodelle. Die Monarchien, ergo die Herrschaft per Geburtsrecht verloren an Bedeutung. Gott starb und wurde im moralischen Denken auf die hintersten Plätze verwiesen. Eine neue Herrschaftsform trat ihren Siegeszug an. Die Zeit des Kapitals u. Begründung von darauf basierenden Machtstrukturen.

Kapital ist kalt, emotionslos, berechnend, taktierend, entfremdend. Nicht das Wohlergehen der Menschen o. der Erhalt eines Lebensraums Erde steht im Vordergrund, sondern die Vermehrung des Kapitals.

Für die Mehrung u. Erhalt sind viele Menschen bereit, nahezu alles zu unternehmen. Es werden Kriege geführt, um die Neider o. Opfer dieser Strategie, abzuwehren. Es werden Waffen entwickelt u. verkauft, die noch drei Generationen später eine abschreckende Wirkung erzielen sollen. Der letzte Schuss ist vor langer Zeit gefallen, doch die Trauma, Blindgänger, Verstümmelte, Krankheiten, bleiben. Gesellschaftliche Ungerechtigkeiten u. ihre Folgen, werden zur Polizeiaufgabe.

Waffen kurbeln die Konjunktur an. Eine kontrollierte homogene menschliche Masse ist das Ideal für Konsumsteuerung, stupider Produktion u. Verwahrung namenloser Produktionsmittel. Das wussten in den 20ern auch die Industriebarone. Gleichermaßen war sich dessen auch das Besitzbürgertum bewusst, die wie Putzerfische die dicken Fische begleiteten.

Der Nationalsozialismus, gestützt vom inländischen u. ausländischen Kapital, ging aus diesem Denken hervor. Die Nazis wurden besiegt, der Glaube ans Kapital blieb. Viele Familien machten mit dem blutigen Geld aus dieser Zeit einfach weiter. Alle Alternativen wurden unter dem Begriff Kommunismus zusammengefasst, diffamiert u. dämonisiert. Selbst das Grundeinkommen, eine gesellschaftlich philosophische Idee aus den Anfängen der Industrialisierung wurde kommunistisch. Schon die Nazis betrieben diese Hetze, in der Bundesrepublik u. den USA wurde sie spätestens mit McCarthy, über Ronald Reagan, bis heute fortgesetzt. Das Kapital, der eine Ring, geschmiedet um alle anderen Ringe zu kontrollieren, im Besitz des Konsumenten Gollum, der seinen Schatz nie wieder hergeben will.

2020 befinden sich die CDU/CSU, FDP, in alter Tradition. Erhalt des Wohlstands, Wachstum um jeden Preis, Bewahrung der Machtstrukturen des Kapitals. Gegenüberliegend gibt es für sie nur verachtenswerte Kommunisten. Dabei ist jeder gläubige Christ o. überzeugte Buddhist im Grunde genommen, ein Gegenentwurf zu ihrer Strategie. Dafür bedarf es keine Analytiker wie Marx, Fromm oder Marcuse.

Nicht wieder, sondern immer noch, sind sie bereit, mit denen zusammen zu agieren, die die niedrigsten Instinkte, Verhaltensmuster u. das Animalische im Menschen bedienen. Schwer ist das nicht, weil sie sich genau genommen, nur in Nuancen u. Detailfragen unterscheiden. Die Verachtung dessen, was den Menschen u. alle anderen Lebewesen aus macht, die Ignoranz der Einbindung des Menschen in ein Lebenssystems, in dem er die gleiche Bedeutung hat, wie alle anderen Lebewesen, das unzulässige Bewerten eines Lebens, hat viele Gesichter. Das marxistische Proletariat war eine Begriffsfindung für Menschen, die dreifach von ihrem Schaffen, als Prozess und dem Produkt entfremdet sind und in der vierten Stufe von sich selbst, damit dann auch das Interesse an Gestaltung, Verantwortung u. sozialen Engagement verlieren. Der Begriff ist veraltet, aber spätestens mit dem völligen Fernhalten von Produktivität, Gestaltung, Sedierung mittels Hartz IV am Rand des Existenzminimums immer noch aktuell.

Die aktuelle LINKE als iseologische stalinistische Folgepartei der SED zu bezeichnen, einen Rammelow als linksextrem zu diffamieren, ist eine Fortsetzung der alten Verhaltensmuster, mit bekannten Folgen. Statt dessen um die Wählergunst derjenigen zu buhlen, die unverhohlen die alten Texte neu auflegen, gehört dazu.

Faschismus, Nationalsozialismus, sind ohne das Kapital u. deren Jünger nicht möglich. Hitler brauchte es, genauso wie Mussolini u. Franco. Die Denkmodelle, die zugrundeliegenden Mensch – u. Weltbilder passen ergänzend zueinander. Heute bedarf es keiner Fremdarbeiter mehr, wenn man sich quasi an Sklaven in den Strassenschluchten von Asien bedienen kann.

Es erscheint beinahe skuril, wenn Parteien, die Europa abschotten wollen, was nur mit massiver Gewalt funktioniert, sich von einer Großmacht nahezu sklavisch abhängig machen, die Völkerrechtsverstösse dieser Großmacht dialektisch rechtfertigen, fortwährend paranoid den Überwachungsstaat ausbauen, mit dem Finger auf die alte SED zeigen. Vieles davon, dürfte bekannt vorkommen. Alles ist ein wenig moderner geworden. Wahlen müssen nicht manipuliert werden, wenn ich vorher die Mittel zur Manipulation der Meinung habe. Doch nicht alle Wähler sind Opfer der Diffamierungskampagnen geworden. Und eine Menge haben der bei Goebbels abgepausten Propaganda eines Höcke den Rücken zugekehrt. Daran änderte auch nichts das Buch über den Kampf eines kleinen ehem. Geschichtslehrers.

Von allen in Thüringen angetretenen Parteien ging die LINKE mit der höchsten Prozentzahl (31,0) hervor. Die Wähler der SPD (8,2) ähneln in den Vorstellungen der LINKEN. Die GRÜNEN (5.2) ebenso. Machen im progressiven Bereich 44,4 %. Die Neoliberale FDP bekam gerade mal 5 %. Es lag bei den Abgeordneten der CDU ihr Gewissen entscheiden zu lassen u. den alten Pfad zu verlassen. Sie haben es wieder einmal nicht getan. Lieber mit den Faschisten, als mit dem Schreckgespenst der alten Hetzplakate aus Weimar zusammenzuarbeiten. Und die Statements einer AKK, die nicht einmal die Werteunion konsequent angeht, eines Merz, der nicht müde wird die LINKE als quasi stalinistische Unrechtspartei zu bezeichnen, kommen viel zu spät. Besonders die nachträglichen Aussagen eines Kubicki und Lindners lassen tief blicken. Lindner, der Rabulistiker deutscher Politiktalkshows, stellt die Aufstellung des FDP Kandidaten als eine Dienstleistung für die Mitte hin, welche er zwischen dem Rechtsextremen Goebbels Verehrer Höcke u. einem Rammelow sieht. Somit ihn als Linksextremisten auf der anderen Seite sieht. Dafür macht er dann schon mal im Rahmen eines Bauernopfers die AfD zum entscheidenden Polit – Faktor. Aus eigenen Reihen wird ihm von den Alten ein Hauch Weimar bescheinigt, den er mit verursacht hat.

Geschichte muss sich nicht wiederholen, sie dauert schlicht an. Dobrindt hat die zweite Konservative Revolution ausgerufen. Der Ausgang der ersten ist bekannt.

Notizen zur AfD

Bernte ... Lesedauer 6 Minuten

Liebes Notizbuch … die AfD, NPD, die Werteunion, Burschenschaften zu beobachten ist eine hochinteressante Angelegenheit. Eins muss man ihnen lassen, sie sind in ihren Kampagnen nicht ungeschickt. Es wäre ein unverzeihlicher Fehler, die Rechten zu unterschätzen. Es sind weniger die lauten Provokationen, die aufhorchen lassen, sondern die leisen Aktionen, welche im Fahrwasser schwimmen.

Letztens stolperte ich über den Begriff «Neutralitätsgebot». Bis vor kurzer Zeit kümmerten sich um diesen Begriff Juristen, die mit Beamten – und Verfassungsrecht zu tun haben. Der breiten Bevölkerung dürfte nicht einmal bekannt gewesen sein, dass es so etwas gibt. Es wurmte die AfD, dass sie in der Öffentlichkeit von Amtsträgern, gewählten Bürgermeistern, Lehrern, Senatoren oder Ministern, als das benannt wurden, was sie sind: Rechtsradikale Provokateure, die immer hart am Rand unterwegs sind, damit sie nicht verboten werden. Die üblen Sachen überlassen sie lieber den außerparlamentarischen freien Gruppen, deren Verbindungsleute sie in den Büros als Angestellte beschäftigen.

Plötzlich war der Begriff in aller Munde. Selbst beim Skandal um die Polizisten, welche sich Cottbus vor dem Graffito einer örtlichen rechtsradikalen Gruppe fotografieren ließ, tauchte er auf. Bis vor wenigen Jahren wäre keine Pressestelle einer Landespolizei auf die Idee gekommen, von einem Verstoß gegen das Neutralitätsgebot zu sprechen. Ausnahmsweise ging es mal gegen die Rechten. Für die Kampagne ist es aber nicht schädlich, sondern eher förderlich. Es ist eine Frage der Zeit, wann die erste Aktion kommt, in der dieses Abziehen der Beamten mit einem Bild aus einer anderen politischen Richtung herangezogen wird. Der Begriff sitzt! Und leider wird er auch von einigen Unbedarften exakt in der Form benutzt, wie es seitens der AfD gewünscht wird. Kaum wurde über das Bild in Cottbus diskutiert, verwiesen Polizisten, die sich unter dem Deckmantel etwas für die Belegschaft zu tun, einer privaten Fehde hingeben, auf die Diskussion bezüglich des Hissens der Regenbogenfahne am Christopher – Street – Day. Und dies mit ausgiebiger Benennung des Neutralitätsgebots.

Seit einigen Tagen befindet sich die AfD in der Vorbereitung des Wahlkampfes zur nächsten Bundestagswahl und Landtagswahlen in den alten Bundesländern der Republik.

In den neuen Bundesländern traten sie laut und provokativ auf. Schlicht, weil dieses Auftreten dort zieht. Es ist wie bei der Radiowerbung. Werbung, die auf die neuen Bundesländer zugeschnitten ist, kommt immer ein wenig lauter, schriller und provokativer, daher. In den alten Bundesländern verschreckt man damit die Käufer bzw. Wähler. Sie müssen für die kommenden Wahlen das gezeigte rechtsradikale Antlitz säubern. Da passt es nicht, wenn Amtsträger sie weiterhin in aller Deutlichkeit als radikal bezeichnen. Deshalb überziehen sie Verwaltungsgerichte mit Klagen, um diese Widersacher ruhig zu stellen.
Gleiches versuchen sie mit der Polizei. Die Polizei, als der Mitspieler bezüglich der inneren Sicherheit schlechthin, darf nicht als Widersacher der AfD stehen. Erst recht darf nicht der Eindruck entstehen, dass AfD Mitglieder in der Polizei isoliert sind.

Ganz im Gegenteil, es soll vermittelt werden, dass gute verfassungstreue Polizisten die AfD favorisieren. Und siehe da, kaum steuert die Polizeiführung Niedersachsens dagegen, taucht wieder das «Neutralitätsgebot» auf. Es ginge zu weit, Mitglieder der DPolG und des Vereins Unabhängige in der Polizei e.V. der AfD zuzuordnen, aber sie lassen sich aus welchen Motiven auch immer, zu Kombattanten der AfD machen.

Parteien zu verbieten, ist ein extrem schwieriges Unterfangen. Beamten eine Fortsetzung der Dienstgeschäfte zu untersagen, weil sie Mitglied einer radikalen Partei sind, gestaltet sich ähnlich kompliziert. In der alten Republik erlebte man dies mit den Republikanern, welche ihren zeitweiligen Erfolg mit den üblichen rechtsradikalen Schrittfehlern selbst zerstörte. Wer auf Hass, Missgunst, Doppelmoral, Misstrauen setzt, wird allzu häufig selbst zum Opfer. Die AfD schlittert daran immer wieder knapp vorbei. Möglich ist dies in der Regel durch ein beinahe brutales internes Regiment. Bei den impulsiven Ausbrüchen, die Weidel und Gauland in der Öffentlichkeit zeigten, lässt sich erahnen, was hinter geschlossenen Türen passiert. Sie sind gewarnt.
Der Verfassungsschutz steht vor der Tür. Gerade ihre außerparlamentarischen Mitstreiter haben hinreichende Erfahrungen mit der Vorgehensweise dieser Behörde. Einfach werden die Ermittlungen nicht. Sie werden sich abschotten und auf die extern Berater zurückgreifen. Ich erinnere mich gut an die Rede von Höcke, welche er nach der Kunstaktion in der Nähe seines Hauses hielt. Darin verwies er auf seine Möglichkeiten und Personal, in geeigneter Weise zu reagieren.
Dies sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Außerdem sind AfD Vertreter schon längst durch politische Ämter tief ins Sicherheitssystem eingedrungen. Kurz um, ein Verbot der Partei wird es nicht geben. Nicht, weil es keine Notwendigkeit gibt, sondern weil sie das System unterwandert haben. Das hat nach 1945 bisher keine andere rechtsradikale Partei geschafft.

Nochmals zurück zum Neutralitätsgebot. Der Sprachbaukasten der Nationalsozialisten funktionierte u.a. mittels Entlehnen von Wörtern aus den Naturwissenschaften. Damit sollte die Richtigkeit der Aussage untermauert werden. Höcke bediente sich dessen bei seiner Rede, in der er über Fortpflanzungsstrategien referierte. Sarrazin, für mich ein übler Kerl, welcher unter falscher Flagge segelt, griff mit seinen pseudowissenschaftlichen Verweisen auf die Genetik, in die gleiche Schublade. Doch immerhin wurde er von Helmuth Schmidt verteidigt, was mich persönlich zur Auffassung gebracht hat, dass man alten Männern irgendwann das Mikrofon nicht mehr in die Hand geben sollte.

Die Rechten haben ein anderes Feld entdeckt. Sie bedienen sich juristischer und sozialwissenschaftlicher Begriffe, um den gewünschten Effekt des Anscheins einer Seriosität zu erzielen. Erstmalig fiel mir dies bei der Implementierung des «Einzelfalls» auf. Das an sich unsinnige Wort stammt aus dem Verwaltungsrecht und dort konkret aus der Definition des Verwaltungsaktes. Rein sprachlich ist ein Fall immer Singular. Verwendet wird er bekanntlich spöttisch im Sinne von: «Natürlich war das ein einzelner Fall! Nein, im Gegenteil diese Handlung/Person/Geisteshaltung ist die Regel.» Einfache Rhetorik, aber sie funktioniert.
Auch die ganzen Klagefantasien der AfD, in der nach einer «Machtübernahme» Schauprozesse in Aussicht gestellt werden, in denen Abgeordnete abgeurteilt werden sollen, zielen in die Richtung. Wenn ein Akademiker oder Jurist die Korrektheit eines Strafverfahrens behauptet, wird an der Aussage schon etwas dran sein.

Die Rechten sind Meister der Sprachadaption und im Umschwenken. «Wir sind das Volk!», war 1989 positiv belegt. Gleichermaßen die «Friedliche Revolution!». Passend hierzu wurde damit in den zurückliegenden Wahlkämpfen agiert. Den Wählern im «Osten» wurde Honig um den Bart geschmiert. Sie seien viel kompetenter als die Bürger der alten Bundesländer, weil sie eine Revolution hinbekamen. Die Wahlkämpfe sind vorbei. Prompt tauchen die ersten Reden auf, in denen sich prominente AfD Mitglieder bei den Mitstreitern in den alten Bundesländern bedanken, weil sie es doch viel schwerer hätten, wie die Wahlkämpfer aus dem Osten. Immerhin stehen 2020 Kommunalwahlen in NRW, Bayern, Hamburg, und 2021, Landtagswahlen in Rheinland – Pfalz, Baden – Württemberg, Bundestagswahlen, Abgeordnetenhaus Berlin, an.

Von dem Begriff Volk müssen sie nun wieder weg. Völkisches Denken kommt im Westen nicht gut an. Bis 1989 war der bundesdeutsche Geschichtsunterricht darauf ausgerichtet, den Weg in den Nationalsozialismus zu beleuchten. Volk, im Sinne einer kameradschaftlichen an einem Strang ziehenden Gesellschaft, ist schwer vermittelbar. Hinzu kommen die Nachwirkungen des Kalten Krieges. Kollektives Verhalten hat einen schlechten Beigeschmack. Man merkte in den letzten Tagen der AfD Führung an, wie sie versuchen, den Volksbegriff herauszunehmen.

Wie sieht der Plan aus?

Hört man sich die Interviews an, ist der schnell zu erkennen. Durch die Bank weg wird von Fehlern der Vergangenheit gesprochen, weil politische Unerfahrenheit bestand. Nun strebe der Bundesvorstand eine Professionalisierung. Einzig Chrupalla scheint die Beschulung noch nicht vollständig abgeschlossen zu haben. Immerhin wies er bei seiner Vorstellungsrede bereits in den ersten Sätzen auf seine Herkunft aus dem letzten deutschen Teils Schlesiens hin. Außerdem scheiterte er grandios bei der Konfrontation mit einem Video, in dem er NS Verbrechern quasi huldigte. Noch zum 30. Jahrestag sprach er von den Vasallen der Besatzungskräfte und einer kommunistischen Fremdherrschaft in der DDR und Widerstandskämpfern.

Aber er hat die Direktive einer Doppelspitze bestehend aus kleinem Arbeiter und Akademiker verstanden. Weiterhin haben ihm die PR Spezialisten, wie allen anderen AfD Sprechern, eingetrichtert häufig professionell, Verantwortung, größte Oppositionspartei und bürgerlich zu verwenden.

In nächster Zeit werden bei der AfD verstärkt die Schlagworte linksbunt, bürgerliche Werte, Konsenzdemokratie, Ökomarxismus, Ökosozialismus. Wohlstandsverwahrloste und die Warnung vor einem Black-out auftauchen. Hinzu kommen die klassischen Angst Themen. Energiewende, unkontrollierte Einwanderung, EURO Rettung, Altersarmut, Verlust von Angesparten und Steuern.

Hätte Christian Lindner anlässlich der letzten großen Haushaltsdebatte die Rede der AfD Abgeordneten Weidel gehalten, wäre das niemanden aufgefallen. Gäbe es nicht die Buhmann Strategie Ausländer/Flüchtlinge/Islam, wären in letzter Zeit die Neoliberalen und die AfD schwer auseinanderzuhalten.

Sollte es der AfD in der nächsten Zeit gelingen, noch mehr Wähler von einer konservativen – bürgerlichen Ausrichtung zu überzeugen oder besser, diesbezüglich zu blenden, könnte ihre Rechnung an der einen oder anderen Stelle aufgehen. Dabei wenden sie einen weiteren Kniff an. Sie kehren die Rhetorik, Argumentation, der anderen um. Zum Beispiel war der Bericht des Verfassungsschutzes ein harter Schlag. Nunmehr wird bei der AfD von einem Establishmentschutz bzw. Regierungsschutz gesprochen. Kalbitz benutzt die Beobachtung seiner Person durch den MAD als Qualitätsmerkmal. Ja, man habe ihn unter die Lupe genommen, aber es folgten keine Maßnahmen, ergo muss bei ihm alles in Ordnung sein.

Um die wahre Identität der AfD zu erkennen, muss man sich mit den Reden, Sprüchen und Aussagen am Rande des Geschehens beschäftigen. Das ZDF hat dies dankenswerterweise getan, in dem sie ein Video von 2018 zeigten, in dem der Teilnehmer einer Parteiveranstaltung Chrupalla nach den “gehängten Jungs” 1945 fragte und damit die in Nürnberg verurteilten Kriegsverbrecher meinte. Von Besatzern, statt Alliierten zu sprechen, ist in diesem Zusammenhang mehr als verräterisch. Auch die von Höcke aufgestellte Forderung nach einer starken Führung für das Deutsche Volk ist eindeutig. Jörg Meuthen ist ein reines Aushängeschild, welches von rechtsradikalen Taktikern benutzt wird. Er glaubt vermutlich die Rechtsradikalen als Werkzeug für seine Zwecke benutzen können. Vielleicht sollte jemand dem Mann zu Weihnachten ein Geschichtsbuch schenken, in dem die “Nacht der langen Messer” abgehandelt wird. Und nicht nur er sollte mal nachlesen. Der Werteunion empfehle ich persönlich wärmstens die Beschäftigung mit der DNVP – Deutschnationale Volkspartei.

Notizen zur OK in Berlin

Lesedauer 5 Minuten

Aus einem gegebenen Anlass heraus, grüble ich aktuell über Begriffe wie Kriminalität, Verbrechen, Schwerkriminalität, Organisierte Kriminalität und einige andere Kategorien. In der allgemeinen Diskussion geht dabei häufig unter, dass es da eklatante Unterschiede gibt. Die Organisierte Kriminalität (OK) ist prinzipiell eine Begleiterscheinung eines kapitalistisch organisierten Systems, deshalb funktioniert sie nahezu identisch und die Grauzonen zwischen der als legal und illegal definierten Wirtschaft sind riesig. Die OK orientiert sich an Standortbedingungen, Personal, Qualifikationen, Absatzmöglichkeiten und Zulieferer. Häufig haben Bekämpfungsstrategien Auswirkungen auf die scheinbar legalen Strukturen. Zum Beispiel führen Überlegungen zu effektiven Gesetzen zur Bekämpfung der Geldwäsche meist zu panikartigen Reaktionen bei «legalen» Wirtschaftsakteuren, weil ihre politisch geduldeten oder sogar gewollten Regelverstöße aufgedeckt werden könnten.

Zu den Standortbedingungen gehören auch die in der Gesellschaft dominierenden Werte -, Ethik -, und Moralvorstellungen. OK Täter scheren sich um diese Themen einen feuchten Kehricht und wenden sie eiskalt als taktisches Mittel an. Beispiele gibt es dafür reichlich. Eine beliebte Waschmaschine für illegale Gelder sind beispielsweise religiöse Einrichtungen, weil Ermittlungen in diese Richtung häufig tabuisiert sind. Oftmals ist die ethnische Abschottung ein unschätzbarer Vorteil, besonders wenn sie in der Vergangenheit Verfolgungen unterlagen. Niemand, der nicht öffentlich Prügel beziehen will, wird bei denen die Daumenschrauben anziehen. Wenn eine Religionsgemeinschaft in mehreren Ländern verfolgt wurde, erfährt sie einen besonderen, durchaus gerechtfertigten Schutzstatus. Die Kehrseite der Medaille ist die entstehende Lücke in der Verteidigungslinie. Wenn mir Religion egal ist, habe ich keinerlei Probleme damit zu konvertieren und damit einen besonderen Status zu erlangen. Von Vorteil ist es auch, eine Sprache zu sprechen, die weltweit wenige Menschen sprechen. Ein Umstand der im II. Weltkrieg von der US Army ausgenutzt wurde, als sie indigene Funker ausbildeten, deren Sprache von den Japanern nicht verstanden wurde. Nichts anderes machen Minderheiten, von denen sich manche kriminell organisieren. Hilfreich können archaische Sippenstrukturen sein, welche sich über Jahrhunderte, u.a. bei der Verfolgung in diktatorischen Systemen bewährten.
Hinter der OK steckt strategisches, taktisches, intelligentes und strukturiertes Denken. Die bekannten Unterstrukturen sind dabei qualitativ durchaus unterschiedlich zu bewerten. Manche agieren leise und wenden Sanktionen gezielt unauffällig an. Nur im äußersten Notfall wird es bei Ihnen laut. Asiatische Strukturen haben gelernt, dass es sinnvoller ist, die Familien im Heimatland anzugehen, denn Morde in Deutschland zu begehen. Osteuropäische Banden setzen kurze extrem brutale Zeichen mit einer langen Wirkung. Zumeist weichen sie bei Sanktionen auf Länder aus, in denen ihr Einfluss auf offizielle Stellen größer ist. Die italienischen OK Strukturen arbeiten in weiten Teilen mit einheimischen Statthaltern zusammen. Gut zu erkennen ist dies beim Handel mit Falschgeld. Gedruckt wird im sicheren Italien. Den Vertrieb im Ausland übernehmen andere Gruppierungen. Verhandlungsgespräche über größere Mengen erfolgen ausschließlich in Italien.

Wie beschrieben, ist Mitgliedern der OK jedes Mittel recht, wenn es denn wirksam ist. In Deutschland ist eine berechtigte oder unberechtigte kritische Haltung gegenüber der Polizei entstanden. Dies ist den Taktikern der OK nicht entgangen. Gegen Ermittler Teile der Bevölkerung zu mobilisieren bzw. diese unliebsamen Gegner zu kriminalisieren, ist ein hochwirksames Mittel.
Vietnamesen zeigten zeitweilig reihenweise Polizisten wegen unzulässiger Übergriffe an, um den Verfolgungsdruck der Zigarettenhändler zu mildern. Rumänische Banden erkannten zeitweilig ein internes Konkurrenzverhalten bei der Berliner Polizei. In Vernehmungen boten sie deshalb Aussagen zu vermeintlich korrupten Beamten an. Das funktionierte zeitweilig, bis mittels Dienstanweisungen solche Aussagen anders behandelt wurden. Andere osteuropäische Banden setzten auf das Mitleid der Umstehenden bei Festnahmen und täuschten epileptische Anfälle vor oder fügten sich selbst massive Verletzungen zu. Russische Täter zeigten sich scheinbar kooperativ, lieferten Informationen zu internationalen Verfahren, bei denen sie wussten, dass sie das Problem unter Kontrolle bekommen und setzten auf das Erfolgsbestreben der deutschen Staatsanwaltschaft. Wie gesagt: Doof sind die alle nicht.

Der Kriminalbeamte im OK Bereich kämpft an mehreren Fronten gleichzeitig. Gegen die zumeist recht naiv romantischen Vorstellungen des Bürgertums, ein politisches Establishment, welches in Teilen aus Unwissenheit verstrickt wird, den begrenzten Ressourcen im Innern der Polizei, Lobbyisten, die ein eigenes Süppchen kochen, machtpolitisch begründete Vorwürfe und Vorgaben, sowie ein bedauerliches Unwissen, welches oft auf Ignoranz beruht. Die Geschehnisse sind komplex. Hinzu kommen dann am Ende noch Vernetzungen mit Nachrichtendiensten aus allen Teilen der Welt, Terrorismus und halblegale Aktivitäten von Konzernen. Paradox ist dabei die Rolle des harmlosen Bürgers. Sie oder er mutiert zur Schachfigur auf einem riesigen Spielfeld. Politiker ziehen ihre Steine zum Zwecke einer Wiederwahl, die Kriminellen verwenden das Bürgertum als Opfer und Bollwerk zugleich, die Ermittler versuchen die Züge zu sabotieren.

In all den zurückliegenden Jahren erhoffte ich mir durch die fortwährende Berichterstattung in wirklich gut recherchierten Reportagen, Büchern, digitalen Medien, Whistleblowern, eine wachsendes Verständnis in der Bevölkerung, welches in einer höheren Effizienz mündet. Eingetreten ist es nicht. Im Gegenteil, vieles ehemals noch Mögliche, ist sabotiert worden.
In den 90ern zog sich ein Kriminaldirektor die Meldedaten aller in Berlin angemeldeten Italiener, inklusive derjenigen, welche durch Heirat die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen hatten. Außerdem ließ er sich Handelsregisterauszüge anliefern. Zusätzlich ließ er eine Recherche zu schweren Straftaten laufen. Weiterhin glich er die Namen mit den Erkenntnissen der passenden Dienststellen in Italien ab. Am Ende bot sich ein wenig erfreuliches Bild. Alle Strukturen waren anwesend, die Indikatoren sprachen für sich, doch es gab kaum rechtlich zulässige Ermittlungsansätze. Was will man machen, wenn ein international auffälliges Massensterben in einer Familie einsetzt, deren Vertreter u.a. friedlich und unauffällig in Berlin leben?
Ein einziger Mord, viel Geld und Besitz, angesehener sozialer Status … und nun? Allein schon der damalige Ansatz, ist heute unvorstellbar. Ich glaube, dass ich es bereits in einem anderen Beitrag notierte. Eins ist doch klar: In einer Stadt, wie Berlin, treten sich alle gegenseitig auf die Füße. Dienste, diverse politische Oppositionen, die nicht ins Heimatland können, Terrorvereinigungen, alle bekannten OK Strukturen, Geldwäscher u.s.w.. Natürlich sind Immobilien, Großgastronomien, Spielotheken, Bars mit schwer nachvollziehbaren Umsätzen, Blumenhändler, Imbissbuden, lohnende Objekte. Es wäre auch mehr als naiv, Schutzgeld, Zwangsbeteiligungen, Verbindungen zum internationalen Terrorismus als nicht existent zu betrachten. Und jeden Tag finden sie neue Lücken, bei denen sie von versierten Juristen, Banken, Steuerberatern, unterstützt werden.

Berlin hat sich derzeit auf die Clans eingeschossen. Die schmutzigen lauten Schmuddelkinder der OK. Ich höre das Lachen der Italiener, Russen, Osteuropäer, Asiaten. Die Nummer haben die in den ausgehenden Achtzigern und am Beginn der Neunziger hinter sich gebracht. Damals haben sie schnell gelernt, wie man mit der deutschen Gesellschaft richtig umgeht. Sie sind nicht gegangen. Sie haben ausschließlich ihre Vorgehensweise verändert. In Berlin sollen Wohnungen gebaut werden. Bauvorhaben werden ausgeschrieben, Grundstücke zur Bebauung frei gegeben, Hochhäuser geplant … in der OK, bei Steuervermeidern, Konzernen, knallen die Sektkorken. Wenn ich die Berichte über die Vergaben lese, wird mir ganz anders. Letztens las ich vom Jubelgeschrei bezüglich des Spielhallensterbens in Berlin. Die Politiker bildeten einen Kreis und klopften sich gegenseitig auf die Schultern. Eine Woche später setzte ich mich in Aufwallung alter Erinnerungen in ein paar einschlägige Lokale meines Bezirks. Spielautomaten, die üblichen kleinen Gangster, welche Umsatz vortäuschen sollen, stündlich vorbei kommende Kontrolleure der passenden Familien und anderen OK Strukturen. Läuft!

Könnte man gegen all das etwas unternehmen? Vielleicht … aber auf keinen Fall mit den Leuten, die derzeit in Rang und Würden sind, einer Bevölkerung, die sich eine Nebelkerze nach den anderen verkaufen lässt und Senatsmitgliedern, die mit Sicherheit von vielem Ahnung haben, aber nicht von OK und Terror. Meiner persönlichen Auffassung nach, wäre innerhalb von Berlin ein wichtiger Schritt, in den Bezirken alle in ein Boot zu setzen. Vertreter vom Handwerk, Gewerbe, Bürger, Mitglieder der Kiez Büros, Schutzpolizei, Kripo, Ordnungsamt, Finanzamt, Bauamt, in eine beratende Kommission zusammensetzen. Das wird die OK nicht im Allgemeinen interessieren, aber ich kann ihnen die Bezirke wegnehmen.

In meinem Wohnbezirk Spandau sind die Würfel gefallen. Die Clans haben langsam die Nase von Neukölln und Wedding voll und entdecken die Randbezirke. Sie treffen auf Teilgebiete, die bereits besetzt sind. Tschetschenische Hoheitsgebiete oder die klassischen PKK Einzugsviertel (Spandau Neustadt) werden sie nicht besetzen können. Aber es bleibt noch genug übrig. Parallel tauchen auch die ersten Salafisten (Falkenhagener Feld), interessanterweise deutsche Konvertiten auf. Unter anderen ist das ein Ergebnis der Innenstadtpolitik des Senats.
Es war klar, worauf die Stärkung der Polizei in der polierten Innenstadt hinausläuft. Der arbeitende Teil der OK verzieht sich in die Außenbezirke und die Gewinne werden in der Innenstadt investiert.
Mir muss niemand mit der CDU, FDP oder der AfD kommen. Das ist genau, was die wollen. Ihre klassischen Wohlfühlzonen, in denen sie wohnen, Zehlendorf, Wannsee, die bewaldeten Teile von Reinickendorf, sollen unberührt bleiben. Die Innenstadt soll für Investoren attraktiv werden. Die hippen Zukunftsprojekte Kreuzberg Bereich Görlitzer Park, werden nach und nach bereinigt. Auch das verschiebt sich langsam. Die Drogenszene ist längst wieder auf Wanderschaft. Wahrscheinlich wird sie wieder ankommen, wo sie mal herkam … in den Hochhaussiedlungen. Für die Platte ist der Effekt allerdings neu.

Die Älteren in der SPD versucht in den BVV’s verzweifelt für die Bezirke Schadensbegrenzung zu betreiben. Die GRÜNEN sind mehrheitlich ein naiver Ausfall, weil sie aus ihrer Blase nicht herauskommen. Die junge LINKE ist verstrahlt und die Alten von denen trauen sich nicht mehr. Traurig … Puh … Ich denke mal weiter nach.

Rechtskonservative Rhetorik

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Bernd Lucke, Gründungsmitglied der AfD wird an der Hamburger Universität von einigen Studenten an einer Vorlesung gehindert. Dazu kann jeder unterschiedlicher Meinung sein. Negativ kommentiert wird dies selbstverständlich von den konservativ ausgerichteten Medien. Damit von der Presse und Journalisten, die einen letzten Zugang zu den rechtsgerichteten Mitgliedern und Wählern der AfD haben. Der ehemalige Herausgeber der FAZ, Herr Dr. Müller – Vogg, schreibt zum Thema auf Twitter:

«Das haben die Achtundsechziger mit ihnen politisch nicht genehmen Professoren so gemacht – und die Nazis in der 1930er-Jahren mit Juden und Demokraten ebenfalls. Derselbe Terror – mit unterschiedlichen Parolen.»
Tweet vom 17.10.2019

Mal ganz davon abgesehen, dass ich von einem hochkarätigen Journalisten eine Unterscheidung zwischen das gleiche und dasselbe erwartet hätte, befeuert er die seit längerer Zeit kursierende rechtsradikale Rhetorik.

Vollkommen unbekümmert werden Geschehnisse aus dem Dritten Reich und dem Vorabend dazu, mit aktuellen Ereignissen verglichen. Bei der Debatte über die Kennzeichnungspflicht twitterten einfach strukturierte Gemüter, dass dieses mit dem Tragen des Gelben Stern im Dritten Reich vergleichbar wäre. Vor dem Hintergrund, welche Ziele seitens der NSDAP verfolgt wurden, eine unentschuldbare Entgleisung. Eine, die durch die Gleichsetzung die Pogrome ins Lächerliche zieht. Dies folgt der Rhetorik, in der sich AfD Anhänger einer Verfolgung ausgesetzt sehen, die ebenfalls angeblich den Pogromen entsprechen würde. Mich wundert dabei stets, wie ruhig sich hierzu die jüdische Gemeinde verhält.

Es gäbe unzählige unverfängliche Möglichkeiten eines Vergleichs. Es ist verräterisch, wenn sich einer ausgerechnet in dieser Epoche bedient. Sympathisanten von Herrn Dr. Müller – Vogg, bemühen Franz – Josef Strauß, in dem sie auf sein Zitat aus dem Jahr 1979 «Ihr wäret die besten Schüler von Goebbels und Himmler gewesen!» verweisen. Die Propagandastrategien eines Goebbels einem anderen zu unterstellen, kann man noch akzeptieren. Der hatte sein Handwerk letztlich vom Amerikaner Edward Bernays gelernt. Bezichtigt wurden die aufgebrachten Leute, die gegen Strauß und seine Hetze demonstrierten. Mich erstaunt heute noch, warum sich Konservative ausgerechnet ihn zum Alibi machen, wenn sie sich zu weit nach rechts lehnen.

In den 30er Jahren lieferten sich die SA und die KPD Straßenschlachten mit Schusswaffen und Toten. Kam es nicht auf den Straßen zu Auseinandersetzungen, überfielen SA Kommandos Lokale, in den sich SPD oder KPD Anhänger versammelten. Tatsächlich herrschte Terror auf den Straßen. Jüdische Bürger, die nicht organisiert waren, wurden lange vor 1933 zu Hause zusammengeschlagen, ihnen wurde aufgelauert und überall erfuhren sie Diskriminierung.

Diese Situation setzt Herr Dr. Müller – Vogg mit dem vollkommen gewaltlosen Protest der Studenten in der Hamburger Universität gleich. Augenscheinlich versuchen aktuell die Konservativen im Schulterschluss mit den Rechtsradikalen, eine Hetzkampagne gegen alles von ihnen aus betrachtet politisch Linke, zu initiieren. Ich weiß nicht, ob die da im Hörsaal alle links ausgerichtet waren. Meiner Auffassung nach ist Lucke ein beleidigtes Kind der CDU, welches sich vom verbitterten Opa Gauland hinters Licht führen ließ. Ein Zauberlehrling, der lernen musste, welche Geister man mit der rechts – liberalen Formel in das auf den Boden gezeichnete Pentagramm ruft.

Das ist das Problem mit der von Alexander Dobrindt ausgerufenen «Konservativen Revolution». Am rechten Rand der CDU/CSU fehlt es an einer sauberen Trennschärfe zu den Rechten. Ein minimaler Stolperer und plötzlich landen sie im Nationalismus, Autoritätsdenken und dem Traum einer allgegenwärtigen CDU/CSU, deren Bundesvorstand eine Oligarchie errichtet. Dabei übersehen sie, dass es hierfür bereits Profis gibt, die für Nachwuchsspieler stets dankbar sind.

Es erscheint beinahe, als ob Journalisten wie Dr. Müller – Vogg und einige andere, vornehmlich aus dem Hause SPRINGER, immer noch den alten Hass auf die 68er im Geiste haben. Damit hätte der Tweet enden können, aber es musste noch eins oben drauf gesetzt werden, in dem der Vergleich mit der NSDAP und der SA eingebracht wurde. Bis zur «Rotfront Verrecke!» Propaganda, fehlen da nur noch Zentimeter. Sie spielen mit Geistern, die sie nicht unter Kontrolle haben. Das ist nicht nur gefährlich, sondern bedingter Vorsatz. Der Erfolg wird nicht unbedingt angestrebt, aber vom Täter billigend in Kauf genommen. Es ist bereits schwer genug, der offen auftretenden Neuen Rechten Bewegung, mit ihrem von der AfD gestellten parlamentarischen Arm, beizukommen. Der Rechtsruck bei einigen in der Gesellschaft fest etablierten Medienvertretern ist beängstigend. Die Fluchtbewegungen und die Klimakrise lockt sie nach und nach alle aus der Deckung heraus. Einerseits ist das erfreulich, weil sie dadurch sichtbar sind, andererseits flößt mir die Menge, der mit einer Autokratie bzw. Oligarchie sympathisierenden Personen, Angst ein.

Was die Hamburger Studenten machten, ist ein lupenreiner Protest, den der Bürger von Leuten, die an einer Universität studieren, erwarten darf. Keiner muss ihn mögen oder inhaltlich teilen, aber er gehört dazu. Eine Uni voller Opportunisten, hat die Bezeichnung nicht verdient. Genau dies gehörte zur 68er Bewegung. Die Ausbildungsstätten der zukünftigen geistigen Elite von den Altlasten eines falsches Verständnisses von Unis zu befreien. Universitätsabsolventen sollen die Zukunft besser gestalten und nicht den «Status Quo» aufrecht erhalten. Gleichfalls dürfen sie nicht zu einer Ausbildungs- oder Lehranstalt der Wirtschaft verkommen. Ebenso wenig zum verlängerten Arm des bürgerlichen Mainstream. Dafür gibt es Fachhochschulen oder Ausbildungsbetriebe. 23 Jahre nach dem Krieg waren viele Lehrstühle noch von denen besetzt, die sich mit dem NS Regime 1933 – 1945 arrangierten, während die kompetentere Riege im Exil blieb oder das Dritte Reich nicht überlebten. Und die ehemals zum NS Regime Loyalen zogen sich ihre Paladine heran.

Wer dies favorisiert, die 68er mit dem NS Regime vergleicht, und sich Universitäten in Form einer Kaderschmiede wünscht, oder sie wenigstens zu Ausbildungsstätten des Kapitals umfunktionieren will, hat nichts Gutes im Sinn.

Zur Person von Herrn Lucke ist meine Haltung recht simpel. Bei der Gründung der AfD suchte er sich in Gauland einen falschen Freund. Keiner kann sagen, ob er nicht immer noch in der AfD wäre, wenn Petry ihm damals nicht den Rang abgelaufen hätte. Er wollte von der Hinterbank der CDU ins Rampenlicht. Das ging voll in die Hose. Statt Einsicht, dass das Machtstreben ihn in die falsche Richtung austrägt, gründete er ALFA. Nun wird es einige Zeit benötigen, bis er aus dem Scherbenhaufen wieder herauskommt. Ein blaues Auge wird bleiben. So ist das halt mit der Machtgier. Bei jedem Entzug kommt es zu einem Kater danach. Den wird er aushalten müssen.